: Helene Bauer, Nikolaj Bucharin, Paul Cockshott, Allin Cottrell, Pat Devine, Friedrich Engels, Wolfga
: Philip Broistedt, Christian Hofmann
: Planwirtschaft Staatssozialismus, Arbeitszeitrechnung, Ökologie
: Promedia Verlag
: 9783853719008
: 1
: CHF 9.90
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: Sonstiges
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ende des 20. Jahrhunderts schien es ausgemacht: Der kapitalistische Markt hatte über die Planwirtschaft gesiegt. Versuche, mittels rationaler Planung die kapitalistischen Länder 'einzuholen und zu überholen', waren bereits zwei Jahrzehnte zuvor gescheitert. Planwirtschaftliche Modelle schienen für immer abgeschrieben, hatten sie sich doch in der Praxis als ökonomisch undurchführbar und politisch repressiv erwiesen. Allerdings ist eine Beschäftigung mit der Idee einer geplanten sozialistischen Wirtschaft und ihren theoretischen Grundlagen heute aktueller denn je. Denn das Hohelied des freien Marktes verhallt nun schneller, als von den Nutznießern des Kapitalismus befürchtet. Die Wirtschaftskrise 2008, erzwungene Migrations- und Fluchtbewegungen, zunehmende soziale Verwerfungen und nicht zuletzt die ökologische Katastrophe und ihre dramatischen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen haben zu einer Krise in Permanenz geführt, der mit marktwirtschaftlichen Methoden offensichtlich nicht beizukommen ist. Ob bei den CO2-Budgets, der Impfstoffproduktion oder der Bereitstellung von Atemwegsmasken: Immer öfter war zuletzt, nicht nur im angelsächsischen Raum, von Sozialismus, Planwirtschaft oder zumindest planning die Rede. Für die Herausgeber Philip Broistedt und Christian Hofmann ist Planwirtschaft weder ein selbsterklärender noch ein originär linker Begriff. In ihrer Textsammlung dokumentieren sie zentrale Debatten darüber, wie eine geplante Wirtschaft an die Stelle der anarchischen Produktion auf Basis des Marktes treten könnte. Auch wenn Marx und Engels keine Theorie einer Planwirtschaft verfassten, so ist doch die Marxsche Kapitalismusanalyse, die auf die Aufhebung der Wertform der Produkte hinausläuft, der Ausgangspunkt für die Linke um eine planmäßig bewusste, gesellschaftliche Produktion. Im ersten Kapitel des Buches geht es deshalb um die Arbeitszeitrechnung als Dreh- und Angelpunkt für einen gesellschaftlichen Produktionsplan der assoziierten ProduzentInnen, die Marx im Kapital als 'Verein freier Menschen' titulierte. Die Kapitel zwei und drei beinhalten Texte, die zentral für die gescheiterten Planwirtschaftsmodelle des 20. Jahrhunderts stehen. Die KommunistInnen in Russland und später auch in China besaßen in der ersten Phase ihrer revolutionären Umwälzung die Hoffnung, mit kriegswirtschaftlicher Naturalplanung im Sturmlauf zum Kommunismus zu gelangen. Geprägt und inspiriert durch die Kriegswirtschaft sollte alles administrativ geregelt werden: die Arbeit durch revolutionäre Arbeitsdisziplin, wenn nicht Arbeitsarmeen, die Planung und Bezahlung in Naturalien. Im dritten Kapitel geht es um die 'planmäßige Anwendung des Wertgesetzes', das nach dem schnellen Scheitern der Naturalwirtschaft zentral für den Staatssozialismus wurde. Ein starker, autoritärer Staat sollte das Wertgesetz ausnutzen, um zunächst die Grundlagen für eine kommunistische Produktion zu legen. Eine Kostenrechnung, d. h. eine Ökonomie mit 'Ware-Geld-Beziehungen', war letztlich trotz Wirtschaftsplanung als unverzichtbarer Bestandteil des Staatssozialismus allgemein anerkannt. Im abschließenden Kapitel finden sich neuere Diskussionsbeiträge, die vom Scheitern der starren Planwirtschaftsversuche im 20. Jahrhundert ausgehen. Dabei steht einmal mehr die zentrale Frage im Raum, warum der Staatssozialismus keine bessere ökologische Bilanz hatte als sein konkurrierendes Pendant; zum zweiten geht es um das eklatante Demokratiedefizit bisheriger Planungsmodelle und um die Frage, welche Vorteile die neuen, digitalen Produktivkräfte für künftiges gesellschaftliches Planen bieten würden.

Philip Broistedt, geboren 1979, lebt in Berlin und arbeitet als Programmierer. Er beschäftigt sich seit langem mit marxistischer Kapitalismuskritik und kommunistischer Arbeitszeitrechnung. Zusammen mit Christian Hofmann veröffentlichte er 2020 das Buch 'Goodbye Kapital'. Er engagiert sich in verschiedensten linken Zusammenhängen und war zuletzt vor allem bei der Initiative ''Deutsche Wohnen'& Co enteignen' aktiv. Christian Hofmann, geboren 1980, lebt in Leipzig und arbeitet als Koordinator im Bildungsbereich. Er publiziert in verschiedenen linken Zeitschriften und auf assoziation.info, oft zusammen mit Philip Broistedt. Er engagiert sich in der ökosozialistischen Strategiedebatte und Vernetzungsarbeit und an der Schnittstelle von Gewerkschaften und Ökologiebewegung.

Kapitel 1:Arbeitszeitrechnung und die Assoziation der freien ProduzentInnen


Friedrich Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft (1877)


Wir sahen, daß die kapitalistische Produktionsweise sich einschob in eine Gesellschaft von Warenproduzenten, Einzelproduzenten, deren gesellschaftlicher Zusammenhang vermittelt wurde durch den Austausch ihrer Produkte. Aber jede auf Warenproduktion beruhende Gesellschaft hat das Eigentümliche, daß in ihr die Produzenten die Herrschaft über ihre eignen gesellschaftlichen Beziehungen verloren haben. Jeder produziert für sich mit seinen zufälligen Produktionsmitteln und für sein individuelles Austauschbedürfnis. Keiner weiß, wieviel von seinem Artikel auf den Markt kommt, wieviel davon überhaupt gebraucht wird, keiner weiß, ob sein Einzelprodukt einen wirklichen Bedarf vorfindet, ob er seine Kosten herausschlagen oder überhaupt wird verkaufen können. Es herrscht Anarchie der gesellschaftlichen Produktion. Aber die Warenproduktion, wie jede andre Produktionsform, hat ihre eigentümlichen, inhärenten, von ihr untrennbaren Gesetze, und diese Gesetze setzen sich durch, trotz der Anarchie, in ihr, durch sie. Sie kommen zum Vorschein in der einzigen fortbestehenden Form des gesellschaftlichen Zusammenhangs, im Austausch, und machen sich geltend gegenüber den einzelnen Produzenten als Zwangsgesetze der Konkurrenz. Sie sind diesen Produzenten also anfangs selbst unbekannt und müssen erst durch lange Erfahrung nach und nach von ihnen entdeckt werden. Sie setzen sich also durch ohne die Produzenten und gegen die Produzenten, als blindwirkende Naturgesetze ihrer Produktionsform. Das Produkt beherrscht die Produzenten.

In der mittelalterlichen Gesellschaft, namentlich in den ersten Jahrhunderten, war die Produktion wesentlich auf den Selbstgebrauch gerichtet. Sie befriedigte vorwiegend nur die Bedürfnisse des Produzenten und seiner Familie. Wo, wie auf dem Lande, persönliche Abhängigkeitsverhältnisse bestanden, trug sie auch bei zur Befriedigung der Bedürfnisse des Feudalherrn. Hierbei fand also kein Austausch statt, die Produkte nahmen daher auch nicht den Charakter von Waren an. Die Familie des Bauern produzierte fast alles, was sie brauchte, Geräte und Kleider nicht minder als Lebensmittel. Erst als sie dahin kam, einen Überschuß über ihren eignen Bedarf und über die dem Feudalherrn geschuldeten Naturalabgaben zu produzieren, erst da produzierte sie auch Waren; dieser Überschuß, in den gesellschaftlichen Austausch geworfen, zum Verkauf ausgeboten, wurde Ware. Die städtischen Handwerker mußten allerdings schon gleich anfangs für den Austausch produzieren. Aber auch sie erarbeiteten den größten Teil ihres Eigenbedarfs selbst; sie hatten Gärten und kleine Felder; sie schickten ihr Vieh in den Gemeindewald, der ihnen zudem Nutzholz und Feuerung lieferte; die Frauen spannen Flachs, Wolle usw. Die Produktion zum Zweck des Austausches, die Warenproduktion, war erst im Entstehn. Daher beschränkter Austausch, beschränkter Markt, stabile Produktionsweise, lokaler Abschluß nach außen, lokale Vereinigung nach innen: die Mark auf dem Lande, die Zunft in der Stadt.

Mit der Erweiterung der Warenproduktion aber, und namentlich mit dem Auftreten der kapitalistischen Produktionsweise, traten auch die bisher schlummernden Gesetze der Warenproduktion offener und mächtiger in Wirksamkeit. Die alten Verbände wurden gelockert, die alten Abschließungsschranken durchbrochen, die Produzenten mehr und mehr in unabhängige, vereinzelte Warenproduzenten verwandelt. Die Anarchie der gesellschaftlichen Produktion trat an den Tag und wurde mehr und mehr auf die Spitze getrieben. Das Hauptwerkzeug aber, womit die kapitalistische Produktionsweise diese Anarchie in der gesellschaftlichen Produktion steigerte, war das grade Gegenteil der Anarchie: die steigende Organisation der Produktion als gesellschaftlicher in jedem einzelnen Produktionsetablissement. Mit diesem Hebel machte sie der alten friedlichen Stabilität ein Ende. Wo sie in einem Industriezweig eingeführt wurde, litt sie keine ältere Methode des Betriebs neben sich. Wo sie sich des Handwerks bemächtigte, vernichtete sie das alte Handwerk. Das Arbeitsfeld wurde ein Kampfplatz. Die großen geographischen Entdeckungen und die ihnen folgenden Kolonisierungen vervielfältigten das Absatzgebiet und beschleunigten die Verwandlung des Handwerks in die Manufaktur. Nicht nur brach der Kampf aus zwischen den einzelnen Lokalproduzenten; die lokalen Kämpfe wuchsen ihrerseits an zu nationalen, den Handelskriegen des 17. und 18. Jahrhunderts. Die große Industrie endlich und die Herstellung des Weltmarkts haben den Kampf universell gemacht und gleichzeitig ihm eine unerhörte Heftigkeit gegeben. Zwischen einzelnen Kapitalisten wie zwischen ganzen Industrien und ganzen Ländern entscheidet die Gunst der natürlichen oder geschaffenen Produktionsbedingungen über die Existenz. Der Unterliegende wird schonungslos beseitigt. Es ist der Darwinsche Kampf ums Einzeldasein, aus der Natur mit potenzierter Wut übertragen in die Gesellschaft. Der Naturstandpunkt des Tiers erscheint als Gipfelpunkt der menschlichen Entwicklung. Der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und kapitalistischer Aneignung reproduziert sich alsGegensatzzwischenderOrganisationderProduktionindereinzelnenFabrikundderAnarchiederProduktioninderganzenGesellschaft. […]

Wenn die Krisen die Unfähigkeit der Bourgeoisie zur fernern Verwaltung der modernen Produktivkräfte aufdeckten, so zeigt die Verwandlung der großen Produktions- und Verkehrsanstalten in Aktiengesellschaften und Staatseigentum die Entbehrlichkeit der Bourgeoisie für jenen Zweck. Alle gesellschaftlichen Funktionen des Kapitalisten werden jetzt von besoldeten Angestellten versehn. Der Kapitalist hat keine gesellschaftliche Tätigkeit mehr, außer Revenuen-Einstreichen, Kupon-Abschneiden und Spielen an der Börse, wo die verschiednen Kapitalisten untereinander sich ihr Kapital abnehmen. Hat die kapitalistische Produktionsweise zuerst Arbeiter verdrängt, so verdrängt sie jetzt die Kapitalisten und verweist sie, ganz wie die Arbeiter, in die überflüssige Bevölkerung, wenn auch zunächst noch nicht in die industrielle Reservearmee. Aber weder die Verwandlung in Aktiengesellschaften noch die in Staatseigentum, hebt die Kapitaleigenschaft der Produktivkräfte auf. Bei den Aktiengesellschaften liegt dies auf der Hand. Und der moderne Staat ist wieder nur die Organisation, welche sich die bürgerliche