: Karl Marx
: Revolution und Kontre-Revolution in Deutschland
: epubli
: 9783754956786
: 2
: CHF 3.50
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: Philosophie
: German
: 195
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Erstdruck unter dem Namen von Karl Marx in: New-York Daily Tribune, Oktober 1851-Oktober 1852. Erste deutsche Ausgabe: Karl Marx: Revolution und Kontre-Revolution in Deutschland. Ins Deutsche übertragen von Karl Kautsky, Stuttgart (Dietz) 1896. In 20 einzelnen Beiträgen zeichnet der Autor die histosische Entwicklung der Thematik bis zum Kölner Kommunistenprozess auf. Erst 1913 stellte sich eine eventuelle Autorschaft von Friedrich Engels bei den Editionsarbeiten am Briefwechsel zwischen Marx und Engels heraus. - Der Text folgt dem Erstdruck. (Aus dem Englischen.) Mit einer umfangreichen Vorrede von Kautsky.

Karl Marx wurde am 5. Mai 1818 in Trier geboren und starb am 14. März 1883 in London, Er war ein deutscher Philosoph, Ökonom, Gesellschaftstheoretiker, politischer Journalist, Historiker, Protagonist der Arbeiterbewegung sowie Kritiker des Kapitalismus und der Religion. Die theoretischen Grundlagen des nach Marx benannten Marxismus beeinflussen die Diskurse der Geschichtswissenschaft und Soziologie wie auch der Wirtschafts- und Politikwissenschaft bis in die Gegenwart.

Revolution und Kontre-Revolution in Deutschland


I. Deutschland am Vorabend der Revolution


London, September 1851.

Der erste Akt des Revolutionsdramas auf dem Kontinent von Europa ist zu Ende. Die »Mächte der Vergangenheit« vor dem Sturm von 1848 sind wieder die »Mächte der Gegenwart«, und die mehr oder weniger populären Eintagsherrscher, provisorische Regenten, Triumvirn, Diktatoren, mit ihrem Schwanz von Abgeordneten, Zivilkommissären, Kriegskommissären, Präfekten, Richtern, Generälen und Soldaten, sind an fremde Küsten geworfen und »über die See verschickt« nach England oder Amerika, um dort neue Regierungen » in partibus infidelium« zu bilden, Europäische Komites, Zentralkomites, Nationalkomites, und ihr Kommen in Proklamationen zu verkünden, die ebenso feierlich sind wie die weniger imaginärer Potentaten.

Man kann sich keine entschiedenere Niederlage denken als die, welche die Revolutionspartei – oder vielmehr Parteien – des Kontinents auf allen Punkten der Schlachtlinie erlitten. Aber was hat das zu bedeuten! Hat nicht das Ringen des britischen Bürgerthums um seine gesellschaftliche und politische Herrschaft achtundvierzig Jahre, das des französischen Bürgerthums vierzig Jahre unerhörter Kämpfe umfaßt? Und war sein Triumph nicht gerade dann am nächsten, als die wiederhergestellte Monarchie sich fester im Sattel fühlte denn je? Die Zeit jenes Aberglaubens, der Revolutionen der Böswilligkeit einiger Agitatoren zuschrieb, ist längst vorbei. Heutzutage weiß Jedermann, daß überall, wo revolutionäre Erschütterungen eintreten, ein gesellschaftliches Bedürfniß dahinter sein muß, dessen Befriedigung durch überlebte Einrichtungen gehindert wird. Das Bedürfniß mag noch nicht so dringend, so allgemein empfunden werden, daß es unmittelbaren Erfolg sichert, aber jeder Versuch, es gewaltsam zu unterdrücken, muß es mit verstärkter Gewalt wieder hervortreten lassen, bis es seine Fesseln bricht.

Wenn wir also geschlagen sind, so haben wir nichts Anderes zu thun, als wieder von vorne anzufangen. Und die wahrscheinlich sehr kurze Ruhepause, die uns zwischen dem Schluß des ersten und dem Beginn des zweiten Aktes der Bewegung gegönnt ist, giebt uns glücklicherweise Zeit zu einem höchst nothwendigen Stück Arbeit: der Untersuchung der Ursachen, die sowohl die letzte Erhebung wie auch deren Niederlage mit Nothwendigkeit herbeiführten; Ursachen, die nicht in den zufälligen Bestrebungen, Talenten, Fehlern, Irrthümern oder Verräthereien einiger Führer zu suchen sind, sondern in dem allgemeinen gesellschaftlichen Zustand und den Lebensbedingungen jeder der von der Erschütterung betroffenen Nationen. Daß die plötzlichen Bewegungen des Februar und März 1848 nicht das Werk einzelner Individuen waren, sondern spontane unwiderstehliche Aeußerungen von Bedürfnissen der Völker, die mehr oder weniger deutlich begriffen, aber von großen Klassen in jedem Lande sehr deutlich empfunden wurden, ist eine allgemein anerkannte Thatsache; wenn man aber nach den Ursachen des Erfolgs der Kontrerevolution forscht, erhält man von allen Seiten die bequeme Antwort, daß es der Herr A. oder der Bürger B. gewesen sei, der das Volk »verrieth«. Diese Antwort kann je nach den Umständen wahr sein oder nicht, sie kann aber unter keinen Umständen irgend etwas erklären, nicht einmal zeigen, wieso es kam, daß das »Volk« sich so verrathen ließ. Und wie kläglich sind die Aussichten einer politischen Partei, deren ganz