: Sandra Lüpkes
: Mein Juist
: mareverlag
: 9783866488083
: 1
: CHF 12.30
:
: Reiseberichte, Reiseerzählungen
: German
: 192
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Um an der salzigen Nordseeluft ihr Asthma zu lindern, zog Sandra Lüpkes 1977 nach Juist, aufs »Töwerland«, wo sie im »riesigen Pfarrhaus in der Wilhelmstraße gegenüber vom Komposthaufen des Kirchfriedhofs« ihre Kindheit verbrachte. Mit fünfzehn wechselte sie aufs Festland, doch schon bald brachte die Liebe sie zurück auf die Insel, auf der sie eine Rockband namens Strandgut gründete, eine Ferienpension führte, Mutter, Schriftstellerin und Mitbegründerin eines Stipendiums für Krimiautor*innen wurde, bevor sie Juist erneut verließ. Aus der liebevoll-kritischen Distanz des Berliner Exils berichtet Sandra Lüpkes nun von Bräuchen wie Maibaum-Raub und »Sünnerklaas«, Delikatessen wie »Sniertjebraa« und (hochprozentiger) »Bohntjesopp« und dem Leben in einer Gemeinschaft, in der man während der Hochsaison weder Kinder bekommen noch sterben sollte, wenn man seinen guten Ruf nicht ruinieren will.

Sandra Lüpkes hat 23 Jahre lang auf der Insel Juist gelebt. Diese mikrokosmische Erfahrung prägt ihr schriftstellerisches Werk bis heute. Seit mehr als 20 Jahren schreibt sie Romane, Ratgeber und Drehbücher, die das Zusammenleben auf engstem Raum thematisieren. Ihr Gesellschaftsroman »Die Schule am Meer« (2020) wurde zum Bestseller. Sandra Lüpkes lebt mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Jürgen Kehrer, in Berlin.

Zauber& Realität


An den Rand von de Welt vör Ostfreeslands Küst

liggt verdrömt in de Sünn uns Töwerland Juist

Maakt dat Hart uns so riek, voll Freid un vull Lüst

denn uns Lev is so grot to uns Eiland, uns Juist

Juister Dün’n, Juister Strand un de solten See

Plattdütsk Taal, oll Maneern un de Klottjeree

Fast as Isen dit Band an de Insel uns holt

denn uns Lev is so grot to uns Eiland, uns Stolt

Stritt sick Ström ut Nordwest mit de blanke Hans

üm de Strand un de wittgröne Dünenkranz

denn bewohr uns, o Herr, vör Skaad un Verlüst

hol in Gnaden din hillige Hand över Juist

Das Schiff legt an, ich gehe von Bord und finde mich wieder im vertrauten Tumult des kleinen Hafens. Manche warten bereits an der Gangway und rufen »Oh, wie blass!« und »Hut ab! Hut ab!«, denn so werden Ankömmlinge begrüßt von jenen, die bereits länger auf Juist weilen, im Sand geerdet und von der Sonne geküsst worden sind. Das war schon vor hundert Jahren so, als der Juister Werbeprospekt ein »vornehmes Familienbad« und »gesellige Fröhlichkeit« sowie »natürliche Heilkräfte der Natur« anpries. Eine Weile ist dieser Willkommensbrauch zum Erliegen gekommen, doch man wusste stets, dass es ihn gab, und irgendwann hat wieder jemand damit angefangen. Vermutlich um zu verdeutlichen: Seht her, wir sind vertraut, die Insel und ich! Wir haben viele gemeinsame Jahre auf dem Buckel, wie ein altes Ehepaar, und lieb gewonnene Gewohnheiten pflegen wir, auch wenn sie manchem, der keine Ahnung hat von den Juister Eigenarten, seltsam vorkommen mögen. Aber uns ist nichts mehr peinlich voreinander, am Hafen rufen wir ungenie