: Stefan Zweig
: Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit
: Books on Demand
: 9783755793762
: 1
: CHF 2.20
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 178
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit: Zwölf historische Miniaturen | 2022er Neuausgabe, mit erklärenden Fußnoten | Der Titel »Sternstunde« ist von Stefan Zweigs Rezensenten gelegentlich missverstanden worden. Sie kritisierten, wie man auch das Scheitern eines Menschen, etwa Robert Scotts dramatisches Scheitern am Südpol, als »Sternstunde« bezeichnen könne. Doch Zweig verstand den Begriff als dramatisch geballten, schicksalsträchtigen Moment, in dem »eine zeitüberdauernde Entscheidung auf ein einziges Datum, eine einzige Stunde und oft nur eine Minute zusammengedrängt ist«. - Oft sind es Schnittstellen, an denen das vermeintlich Private historisch, politisch, dauerhaft wird; und ein einziger Mann mit einer kleinen Idee Geschichte macht - oder geschichtlich scheitert. Scheitert wie Johann August Sutter, der Besitzer der »Sutter's Mill« auf dessen Gelände Arbeiter Goldnuggets fanden, was den großen kalifornischen Goldrausch von 1848 auslöste. - Oder sich unsterblich macht wie der junge Franzose Rouget de Lisle, der am 25. April 1792 die Marseillaise schrieb, die spätere französische Nationalhymne.

Stefan Zweig wurde am 18. November 1881 in Wien geboren und gehört zu den bedeutenden deutschsprachigen Schriftstellern der Zwischenkriegszeit. 1934 emigrierte er nach England und 1940 nach Brasilien, wo er, bedrückt durch die politischen Entwicklungen in Deutschland, 1942 Suizid beging. »Seine Werke verbinden hohe moralische und ethische Ansprüche mit dem Bemühen um den Erhalt der alten geistigen Werte«. (Brockhaus Literatur)

Flucht in die Unsterblichkeit


Die Entdeckung des Pazifischen Ozeans,
25. September 1513


EIN SCHIFF WIRD AUSGERÜSTET


BEI SEINER ERSTEN RÜCKKEHR aus dem entdeckten Amerika hatte Kolumbus auf seinem Triumphzug durch die gedrängten Straßen Sevillas und Barcelonas eine Unzahl Kostbarkeiten und Kuriositäten gezeigt, rotfarbene Menschen einer bisher unbekannten Rasse, nie gesehene Tiere, die bunten, schreienden Papageien, die schwerfälligen Tapire, dann merkwürdige Pflanzen und Früchte, die bald in Europa ihre Heimat finden werden, das indische Korn, den Tabak und die Kokosnuss. All das wird von der jubelnden Menge neugierig bestaunt, aber was das Königspaar und seine Ratgeber am meisten erregt, sind die paar Kästchen und Körbchen mit Gold. Es ist nicht viel Gold, das Kolumbus aus dem neuen Indien bringt, ein paar Zierdinge, die er den Eingeborenen abgetauscht oder abgeraubt hat, ein paar kleine Barren und einige Handvoll loser Körner, Goldstaub mehr als Gold – die ganze Beute höchstens ausreichend für die Prägung von ein paar hundert Dukaten.

Aber der geniale Phantast Kolumbus, der fanatisch immer das glaubt, was er gerade glauben will, und der eben so glorreich mit seinem Seeweg nach Indien recht behalten hat, flunkert in ehrlicher Überschwänglichkeit, dies sei nur eine winzige erste Probe. Zuverlässige Nachricht sei ihm gegeben worden von unermesslichen Goldminen auf diesen neuen Inseln; ganz flach, unter dünner Erdschicht, läge dort das kostbare Metall in manchen Feldern. Mit einem gewöhnlichen Spaten könne man es leichthin aufgraben. Weiter südlich aber seien Reiche, wo die Könige aus goldenen Gefäßen becherten und das Gold geringer gelte als in Spanien das Blei. Berauscht hört der ewig geldbedürftige König von diesem neuen Ophir<