3 Vom Bäcker bis zum Freihandel:Der Wohlstand der Nationen (1776)
Von Adam Smith stammt die vielleicht berühmteste Metapher der Ökonomie: »die unsichtbare Hand des Marktes«. Selbst wer noch nie von Smith gehört hat, kennt oft dieses eine Schlagwort, das sein Werk angeblich zusammenfassen soll. Es suggeriert, dass Smith behauptet hätte, dass der Staat nur stört und der freie Markt alles richtet, weil dieser wie durch Zauberhand automatisch Reichtum hervorbringe.1
Doch diese Interpretation wäre ein Missverständnis. Die »unsichtbare Hand« kommt in dem ganzen Buch nur ein einziges Mal vor – und zwar weit hinten. Auch der »Markt« ist bei Smith keineswegs so wichtig, wie von heutigen Neoliberalen gern unterstellt wird. In der Einleitung erläutert Smith den Aufbau seines Werks – doch der Begriff »Markt« fällt dort nicht.2
Smith wollte erklären, wie es zu Wohlstand und Wachstum kommt. Dabei spielte der Markt zwar auch eine Rolle – aber für Smith hatte er nur eine dienende Funktion. Es ist kein Zufall, dass Smith sein BuchWohlstand der Nationen genannt hat, und nicht etwaFreiheit der Märkte.3
Smith wollte zeigen, dass die Arbeit die Quelle allen Reichtums ist – und nicht das Anhäufen von Gold- und Silbermünzen, wie es die Merkantilisten bis dahin postuliert hatten. Um sein Werk angemessen beurteilen zu können, muss man wissen, welche Doktrinen er überwinden wollte. Daher ist ein kurzer Exkurs über die Merkantilisten unumgänglich.
Der Irrtum der Merkantilisten: Gold macht nicht reich
Europa ist ein besonderer Kontinent, auch wenn dies vielen Europäern nicht bewusst ist. Nirgendwo sonst auf der Welt ballen sich so viele Staaten auf so engem Raum. Seit dem Zerfall des Römischen Reichs sind unzählige Kriege geführt worden, und überlebt haben stets nur jene Staatsgebilde, die große Söldnerheere finanzieren konnten. Also benötigten die Kriegsherren Silber und Gold, um ihre Soldaten zu entlohnen.
Früh befassten sich die Fürsten mit der Frage, wie sich die Edelmetalle in ihren Schatzkammern vermehren ließen. Dabei stießen sie auf eine Idee, die sich im modernen Ökonomendeutsch »Leistungsbilanzüberschuss« nennt. Man musste mehr exportieren als importieren, um Gold und Silber ins Land zu spülen.
Die Fürsten machten sich also daran, heimische Manufakturen und Monopolbetriebe zu fördern, damit diese Exportprodukte herstellten. Umgekehrt wurden Importe verboten und mit hohen Zöllen belegt. Dieses Vorgehen wurde später »Merkantilismus« genannt.4
Die Merkantilisten waren keine Theoretiker, sondern Praktiker: Sie entstammten der königlichen Verwaltung oder waren Kaufleute. Sie haben daher kein einheitliches »System« entwickelt, sondern eine Vielzahl von Einzelvorschlägen gemacht, wie sich der Gold- und Silberschatz des Staats mehren ließe. In jedem europäischen Land sah der Merkantilismus etwas anders aus.
Der erste Merkantilist war vermutlich der englische König Edward III., der von 1327 bis 1377 regierte. Er trug nur noch englische Wollstoffe, um auch seine Untertanen zu animieren, heimische Produkte zu kaufen – und nicht etwa flämische Tuche, die damals der letzte Schrei waren. Gleichzeitig holte Edward flämische Weber in