: Ulrike Herrmann
: Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung Die Krise der heutigen Ökonomie oder Was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können
: Piper Verlag
: 9783492601665
: 1
: CHF 9.50
:
: Wirtschaft: Allgemeines, Nachschlagewerke
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Warum kommt es zu Finanzkrisen? Warum sind die Reichen reich und die Armen arm? Wie funktioniert Geld? Woher kommt das Wachstum? Schon Kinder stellen diese Fragen - aber die Ökonomen können sie nicht beantworten. Ihre theoretischen Modelle haben mit dem realen Kapitalismus nichts zu tun. Leider kosten die Irrtümer der Ökonomen nicht nur Milliarden, sondern sogar Menschenleben. Wer verstehen will, wie die Wirtschaft tatsächlich funktioniert, muss die Klassiker kennen: Adam Smith, Karl Marx und John Maynard Keynes. Sie werden an den Universitäten kaum, falsch oder gar nicht mehr gelehrt. Dabei haben diese drei Theoretiker die besten Antworten gegeben. Es ist höchste Zeit, sie neu zu entdecken.

Ulrike Herrmann, Jahrgang 1964, ist Wirtschaftskorrespondentin der Tageszeitung »taz«. Sie ist ausgebildete Bankkauffrau, hat Geschichte und Philosophie studiert und war anschließend wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Körber-Stfitung sowie Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager. Ulrike Herrmann ist ein typisches Mittelschichtskind. Sie stammt aus einem Vorort von Hamburg, wo alle Bewohner an den gesellschaftlichen Aufstieg glaubten.

3 Vom Bäcker bis zum Freihandel:Der Wohlstand der Nationen (1776)


Von Adam Smith stammt die vielleicht berühmteste Metapher der Ökonomie: »die unsichtbare Hand des Marktes«. Selbst wer noch nie von Smith gehört hat, kennt oft dieses eine Schlagwort, das sein Werk angeblich zusammenfassen soll. Es suggeriert, dass Smith behauptet hätte, dass der Staat nur stört und der freie Markt alles richtet, weil dieser wie durch Zauberhand automatisch Reichtum hervorbringe.1

Doch diese Interpretation wäre ein Missverständnis. Die »unsichtbare Hand« kommt in dem ganzen Buch nur ein einziges Mal vor – und zwar weit hinten. Auch der »Markt« ist bei Smith keineswegs so wichtig, wie von heutigen Neoliberalen gern unterstellt wird. In der Einleitung erläutert Smith den Aufbau seines Werks – doch der Begriff »Markt« fällt dort nicht.2

Smith wollte erklären, wie es zu Wohlstand und Wachstum kommt. Dabei spielte der Markt zwar auch eine Rolle – aber für Smith hatte er nur eine dienende Funktion. Es ist kein Zufall, dass Smith sein BuchWohlstand der Nationen genannt hat, und nicht etwaFreiheit der Märkte.3

Smith wollte zeigen, dass die Arbeit die Quelle allen Reichtums ist – und nicht das Anhäufen von Gold- und Silbermünzen, wie es die Merkantilisten bis dahin postuliert hatten. Um sein Werk angemessen beurteilen zu können, muss man wissen, welche Doktrinen er überwinden wollte. Daher ist ein kurzer Exkurs über die Merkantilisten unumgänglich.

Der Irrtum der Merkantilisten: Gold macht nicht reich


Europa ist ein besonderer Kontinent, auch wenn dies vielen Europäern nicht bewusst ist. Nirgendwo sonst auf der Welt ballen sich so viele Staaten auf so engem Raum. Seit dem Zerfall des Römischen Reichs sind unzählige Kriege geführt worden, und überlebt haben stets nur jene Staatsgebilde, die große Söldnerheere finanzieren konnten. Also benötigten die Kriegsherren Silber und Gold, um ihre Soldaten zu entlohnen.

Früh befassten sich die Fürsten mit der Frage, wie sich die Edelmetalle in ihren Schatzkammern vermehren ließen. Dabei stießen sie auf eine Idee, die sich im modernen Ökonomendeutsch »Leistungsbilanzüberschuss« nennt. Man musste mehr exportieren als importieren, um Gold und Silber ins Land zu spülen.

Die Fürsten machten sich also daran, heimische Manufakturen und Monopolbetriebe zu fördern, damit diese Exportprodukte herstellten. Umgekehrt wurden Importe verboten und mit hohen Zöllen belegt. Dieses Vorgehen wurde später »Merkantilismus« genannt.4

Die Merkantilisten waren keine Theoretiker, sondern Praktiker: Sie entstammten der königlichen Verwaltung oder waren Kaufleute. Sie haben daher kein einheitliches »System« entwickelt, sondern eine Vielzahl von Einzelvorschlägen gemacht, wie sich der Gold- und Silberschatz des Staats mehren ließe. In jedem europäischen Land sah der Merkantilismus etwas anders aus.

Der erste Merkantilist war vermutlich der englische König Edward III., der von 1327 bis 1377 regierte. Er trug nur noch englische Wollstoffe, um auch seine Untertanen zu animieren, heimische Produkte zu kaufen – und nicht etwa flämische Tuche, die damals der letzte Schrei waren. Gleichzeitig holte Edward flämische Weber in