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Die Anfänge des Internets habe ich als junger Wissenschaftler an vorderster Front miterleben können. Allerdings interessierten mich dabei weniger die technischen Aspekte als die Frage, wie es sich auf das Denken und Arbeiten der Menschen auswirken würde. Gestehen muss ich dazu, dass ich diese Frage schon immer für das spannendste Forschungsthema gehalten habe – unabhängig von meinem aktuellen Fachgebiet in den »harten« Wissenschaften Physik oder Informatik. Bei meinen Fachkollegen konnte ich diese Veränderungen in der Arbeits- und Denkweise unmittelbar beobachten. Sie waren geradezu revolutionär und betrafen schon in den 1990er-Jahren die Art, wie sie Informationen suchten, beurteilten und miteinander teilten – und die Prozesse, nach denen sie, nicht nur im Bereich der Wissenschaften, ihre Entscheidungen trafen.
Solche menschlichen Entscheidungsprozesse werden seit ungefähr 70 Jahren erforscht.1 Fast ebenso lange ist bekannt, dass dabei eine genaue Überlegung und ein rationales Abwägen der Vor- und Nachteile verschiedener Wahlmöglichkeiten nur stattfinden, wenn die Anzahl dieser Wahlmöglichkeiten klein ist.2 Sobald sie nämlich unsere Fähigkeit zur Informationsaufnahme überschreitet, werden wir als Erstes immer versuchen, diese Anzahl zu verringern.
Ein aufschlussreiches Experiment dazu haben die beiden US-amerikanischen Wissenschaftler Sheena Sethi Iyengar von der Columbia University und Mark Lepper von der Stanford University im Jahr 2000 durchgeführt.3 In einem Supermarkt präsentierten sie an einem Probierstand ein Sortiment von Marmeladen eines bestimmten Herstellers, verbunden mit der Ausgabe eines Einkaufsgutscheins. An zwei aufeinanderfolgenden Samstagen wechselten sie nun stündlich zwischen einem Sortiment aus 24 und einem aus nur sechs Marmeladen. Wie man auch naiverweise erwarten würde, zeigten deutlich mehr Kunden des Supermarktes Interesse an dem Stand mit 24 Marmeladen (nämlich 60 Prozent der Anwesenden) als an dem Stand mit nur sechs Marmeladen (nur 40 Prozent der Anwesenden). Beim Probieren der Auswahl war dann kein signifikanter Unterschied festzustellen.
Der eigentlich interessante Aspekt dieses Experiments, auf das ich bei den Recherchen zu einem Buch über Internetkultur gestoßen war,4 ergab sich aber beim Umsetzen der Wahlmöglichkeit in konkretes Handeln. Denn am Probierstand mit der beschränkten Auswahl aus nur sechs Marmeladen war der Anteil derjenigen, die hinterher ein Glas davon kauften, mit 31 Prozent mehr als zehnmal so hoch wie bei der Auswahl aus 24 Marmeladen. Nur drei Prozent derjenigen, die etwas aus der großen Auswahl probiert hatten, kauften hinterher ein Glas davon.
Auch im Bereich des Marketings sind diese Effekte