: Veronique Kouchev
: Das »Anders« gehört zu mir Mein Leben mit Asperger-Autismus
: Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
: 9783959103695
: 1
: CHF 13.10
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 240
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Veronique Kouchev ging es so wie vielen anderen Mädchen mit Asperger: Dass mit ihr etwas nicht stimmte, bekam sie täglich zu spüren. Mobbing in der Schule war an der Tagesordnung, Veronique passte nicht rein, war einfach anders. Auch die Lehrer*innen waren verunsichert und unterstützten sie kaum. Mit 17 endlich die Diagnose: Asperger-Autismus. Für Veroniques Mutter bricht eine Welt zusammen, ihre Tochter ist erleichtert - das Rätselraten hat ein Ende. Doch es dauert, bis sie ihren Platz im Leben findet, immer wieder schlagen ihr Vorurteile und Stigmatisierungen entgegen. Eine Vermieterin wirft sie beispielsweise aus der Wohnung. Die Frau hatte einige Artikel über Autismus gelesen und nun Angst, ihre junge Mieterin würde das Haus in Brand setzen. Aber Veronique entwickelt aus ihrer Situation heraus eine große Willenskraft: Sie ist heute in einer festen Beziehung mit einem »ganz normalen« Mann, studiert, jobbt nebenher und liebt das Leben. Die Studentin sprüht vor Energie und möchte anderen Betroffenen und ihren Angehörigen Mut machen. Und sie möchte zeigen, was hinter dem Asperger-Syndrom steckt und wie wir Betroffenen begegnen können, um ihnen das Leben zu erleichtern.

Veronique Kouchev wurde 1996 in Straußberg geboren und ist Asperger-Autistin. Während der Schulzeit zog sie mit ihrer Familie nach Aachen, wo sie später eine Ausbildung als Grafikdesignerin absolvierte. Heute studiert sie Kommunikationsdesign und arbeitet als freiberufliche Designerin und Künstlerin. Veronique erfuhr erst mit 17 Jahren von ihrer Diagnose und hat seitdem gelernt, mit ihrem Autismus umzugehen. Sie lebt zusammen mit ihrem Partner in Aachen.

Zuhause


Wir alle haben diesen einen Ort, an dem wir ganz wir selbst sein können, einen Raum, wo wir uns so verhalten können, wie wir wollen, ohne uns zu verbiegen. Dieser Ort gibt uns Sicherheit, er ist unsere Zuflucht, wenn die Außenwelt uns überfordert. Dieser ganz besondere Ort kann viele Namen haben: Er kann dein Zuhause oder dein Zimmer sein, der Stadtpark, deine Dusche … Es ist eine schöne Vorstellung, dass dieser Raum einem immer dann, wenn man ihn braucht, zur Verfügung steht. Diese Freiheit, die vielen Menschen nicht mal bewusst ist, ist für mich einer der wichtigsten Eckpunkte meines Lebens.

Nach genau diesem Raum sehnte ich mich auch jetzt, als ich vor unserer Haustür stand und gleich fünfmal hintereinander klingelte. Wieder mal hatte ich am Morgen meinen Schlüssel nicht eingesteckt. Das machte ich öfter, denn ich sah einfach nicht ein, wofür ich einen Schlüssel brauchte, wenn mir doch eh jemand die Tür öffnen würde. Den Schlüssel aus meiner überfüllten Schultasche zu fischen, war doch viel komplizierter, als kurz auf die Klingel zu drücken.

Nach drei Minuten ging die Tür endlich auf. Ich war völlig außer Atem, da ich den ganzen Weg bis nach Hause gesprintet war. Meine Mutter stand schon in der Küche und wartete auf mich. Das Essen war fertig. Wie immer begrüßte sie mich mit einem breiten Lächeln und drückte mich an sich. Danach stellte sie mir die Fragen, die sie mir jeden Tag stellte, wenn ich aus der Schule zurückkam: »Wie geht es dir? Wie war dein Tag?« Und heute: »Ist wieder irgendwas passiert? Du siehst verweint aus.«

Immer dasselbe, dachte ich bei mir. Ich wollte nicht darüber reden, was passiert war. Ich wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden.

»Setz dich hin, Veronique«, redete meine Mutter weiter. »Ich hab was Leckeres gekocht.«

Ich blockte ab. »Danke, Mama, aber ich will gerade nichts essen.« Das lag nicht nur daran, dass ich mich auf Lasagne gefreut hatte und jetzt plötzlich Bratkartoffeln auf dem Tisch standen, sondern ich wollte auch einfach mit niemandem reden. Alles, was ich wollte, war, allein in meinem Zimmer zu sein. Mehr nicht. Ich brauchte erst mal Abstand von der Außenwelt. Das brauchte ich jeden Tag nach der Schule. Sonst ging gar nichts – weder essen noch Hausaufgaben noch Haushaltspflichten.

Meine Mutter schaute mich enttäuscht an, so wie immer, wenn ich so reagierte. Aber was sollte ich denn tun? Manchmal zwang ich mich dazu, bei ihrem Mittagsritual mitzumachen, aber nur an Tagen, an denen alles einigermaßen in Ordnung war. Heute war nicht so ein Tag. Ich wollte einfach nur in mein Zimmer, den Raum, in dem ich mich am wohlsten fühlte. Hier wurde ich zwar auch ab und zu von meiner Familie gestört, aber immerhin hatten fremde Menschen keinen Zutritt. Heute brauchte ich diese Auszeit unbedingt, also setzte ich mich durch. »Bitte, Mama, lass mich erst mal allein«, sagte ich noch mal.

Manchmal nahm meine Mutter es hin, dass ich nach der Schule erst mal meine Ruhe wollte, doch es kam auch vor, dass sie darüber diskutieren wollte. Es kam dann oft zu Streitsituationen, die meistens damit endeten, dass sie nicht mehr darüber reden wollte und einfach wegging. Ich hingegen wollte die Sache unbedingt klären. Es war sehr schwer für mich zu akzeptieren, wenn Menschen Dinge einfach ungeklärt ließen. Da kam wiederAnders zum Vorschein. Es wollte, dass ich alle Dinge, die ich anfing, auch zu Ende brachte. Mittendrin eine Pause zu machen, brachte es aus der Fassung, woraufhin es auch mich aus der Fassung brachte, und das auf unterschiedlichste Art und Weise.

Als ich an diesem Tag in meinem Zimmer verschwand und die Tür hinter mir schloss, stand ich noch eine ganze Weile davor, um auch ja sicherzugehen, dass niemand mir folgte und ich ungestört war. Dann ließ ich meinen Blick schweifen. Manchmal stand ich einige Minuten einfach so da und schaute mir an, was es in meinem Zimmer zu sehen gab. Ganz schön viel, da ich überall Di