1. KAPITEL
Nicht zum ersten Mal in seinem Leben wachte Toby in einem fremden Hotelzimmer auf, ohne genau zu wissen, wie er dorthin gekommen war. Aber noch nie hatte ihn ein alkoholbedingter Ausfall derart orientierungslos gemacht. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er hier gelandet war.
Die Vorhänge der bodentiefen Fenster waren nur halb zugezogen und ließen ihn zusammenzucken, als er die Augen öffnete und ins Sonnenlicht sah. Vorsichtig überblickte er seine Umgebung. Ein Himmelbett, weiche Daunenkissen und hämmernde Kopfschmerzen! Wände mit einer luxuriösen Stofftapete. Hinter einer offenen Tür entdeckte er ein Marmorbad. Und durch den breiten Spalt zwischen den Gardinen konnte er in der Ferne Berge sehen … plötzlich wusste er, dass unter ihm eine der berühmtesten Straßen der Welt lag. DerStrip.
DasVier Jahreszeiten. Las Vegas. Eine der Präsidentensuiten. Ja, das ergab Sinn.
Finn hatte gesagt, wenn sie schon einen Trip nach Vegas machten, dann aber richtig. Finn. Wahrscheinlich lag er in einem der anderen Schlafzimmer dieser Suite. Solange sein bester Freund bei ihm gewesen war, konnte letzte Nacht nichts schiefgegangen sein. Außer … Wäre Finn tatsächlich bei ihm gewesen, hätten sie niemals zu viel getrunken. Finn hielt seinen Alkoholkonsum immer unter Kontrolle – angeblich, um seine Wettfähigkeit nicht zu beeinträchtigen. Aber Toby wusste, dass die Trunksucht von Finns Vater der wirkliche Grund für diese Entscheidung war.
„Du bist kein x-beliebiger Student, der auf die Piste geht, Toby.“ Die Stimme seines älteren Bruders ertönte in seinem Kopf, eine Erinnerung an die längst vergangene Universitätszeit. „Du bist ein Blythe. Der Sohn des elftenViscounts von Wishcliffe. Das bringt gewisse gesellschaftliche Verpflichtungen mit sich.“
Mittlerweile war alles anders. Ihr Vater war tot. Barnaby war tot. Und Toby war der unglückliche dreizehnteViscount von Wishcliffe und obendrein Tausende Meilen von zu Hause entfernt.
Er hatte den Titel, die Güter und die damit verbundene Verantwortung nie erben wollen. Zu viele andere hatten über ihm in der Nachfolge gestanden, außerdem hatte Toby erlebt, was der Kampf um den Erhalt eines alten aristokratischen Namens und Rufs seinen Vater gekostet hatte. Nach dem zweiten Herzinfarkt hatte er seinen alten Herrn gebeten, auch andere Optionen in Betracht zu ziehen – ohne Erfolg.
Der dritte Infarkt war tödlich gewesen, und Toby hatte es nicht ertragen, dabei zuzusehen, wie das Anwesen auch seinem Bruder die Lebensenergie entzog. Und sein achtjähriger Neffe Harry …
Sein Kiefer verkrampfte sich bei der Erinnerung an damals, was seinen Kopf noch schlimmer pochen ließ.
„Nur noch ein letztes Abenteuer“, hatte er Finn angefleht. „Eine letzte Nacht, um loszulassen und alles zu vergessen. Dann muss ich nach Hause und das Anwesen übernehmen. Eine letzte wilde Nacht in Vegas – der Abschied au