Bildungsmanagement 2.0: Potenziale und Anforderungen von Social Software in Bildungsorganisationen (S. 241-242)
Ulrich Iberer, Simon A. Frank, Christian Spannagel
1 Ein Fallbeispiel
Das Lernen mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen bildet das Charakteristikum einer Sprachenschule. So kommen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen ausüber 50 Ländern hierher, um gemeinsam eine fremde Sprache zu erlernen. Der individuelle Erfolg ist schwer zu bestimmen, der Lernprozess ist stark abhängig von den Zielen und der (Selbst- )Lernbereitschaft des einzelnen Teilnehmers. Eine Strategie dieser Schule liegt darin, die Kommunikation zwischen Lernenden, Dozenten und Mitarbeitern vielseitig zu gestalten, um so die Begeisterung für das Sprachenlernen in dieser Einrichtung zu wecken und die Lerner zu einer erneuten Teilnahme zu motivieren.
Die Schulleitung und die Dozenten setzen diese Ziele in unterschiedlichen didaktischen Lernkonzepten um. Das Sprechen in authentischen Situationen trägt dazu ebenso bei, wie eine internetgestützte Lernplattform. Letztere wird hauptsächlich von den Dozenten gestaltet, um die Möglichkeiten onlinegestützten Lernens im und für den Unterricht zu nutzen (E-Learning). Die virtuellen Lernangebote werden von Teilnehmern mehr oder weniger intensiv aufgegriffen. Deutlich aktiver bewegen sich vor allem die jungen Leute, im Zuge ihrer privaten Internetnutzung, verstärkt in virtuellen sozialen Netzwerken wie Facebook oder YouTube. Der regelmäßige Austausch mit Freunden und Bekannten aus vorherigen Lernsituationen gelingt hier nahezu spielerisch und grenz- bzw. kulturübergreifend. Die Schule sieht sich dadurch immer mehr aufgefordert, diese Lebenswirklichkeit ihrer Lernenden in ihren Unterrichts- und Kommunikationsstrukturen zu berücksichtigen und aufzugreifen.
Die Verantwortlichen der Schulleitung sind jedoch verunsichert: Können die offenen, von der Institution kaum steuerbaren Internet-Anwendungen eine verlässliche Möglichkeitschaffen, um mit den Schülern und Absolventen in Kontakt zu bleiben? Wäre nicht ein exklusives, von den Mitarbeitern der Institution moderiertes Online-Diskussionsforum auf der Schulwebsite besser geeignet, um ein zielorientiertes Sprachenlernen zu unterstützen? Wie kann der Kernauftrag der Schule, das Erlernen einer Fremdsprache durch aktives Sprechen, auch hier realisiert werden? Die Bildungseinrichtung steht vor der Herausforderung, ihre institutionellen Prozesse und Strukturen auf die Erwartungen des Web-2.0-Zeitalters auszurichten.
2 Ausgangssituation
Im Zuge der Innovation von modernen Internet-Anwendungen bestimmen Funktionalitäten die Weiterentwicklung, die unter dem Schlagwort Web 2.0 propagiert oder als Social Software deklariert werden. Wollte man Social Software näher illustrieren, so sind Weblogs, Wiki-Systeme und virtuelle soziale Netzwerke hierfür typische Anwendungen. Darüber hinaus werden kontinuierlich neue interaktive Funktionen in das weltweite Netz eingebracht, die sich von den bislang bekannten Internet-Strukturen sowohl in technischer als auch in soziokultureller Hinsicht abheben. Kennzeichen von Social Software sind die einfache, intuitive Handhabung für den Anwender, die unmittelbare Kombination von Inhalten und Diensten sowie die veränderte Wahrnehmung bzw. Nutzung dieser Funktionen hin zu offenen, transparenten und partizipativ produzierten Artefakten im weltweiten Netz.
Auch im Kontext pädagogischer Kategorien wie Bildung, Unterricht, Lehren und Lernen wird Social Software bereits vielseitig aufgegriffen. So finden sich Berichte, die den Einsatz von virtuellen Lern- bzw. Lesetagebüchern in einer Schulklasse beschreiben (vgl. Raith 2006), Dokumentationenüber die Rolle von Weblogs in organisationalen Veränderungsprozessen (vgl. Lang 2009) und Konzepte für Podcasts in der Hochschullehre (vgl. Reinmann 2009), um dies stellvertretend für drei unterschiedliche pädagogische Handlungsfelder anzuführen. |