KAPITEL 2
EIN DRITTES MAL EDI RAMA
Als Basketballspieler war er Teamplayer, als Künstler debattenfreudig. Jetzt, bei Antritt seiner dritten Amtszeit als Albaniens Ministerpräsident, muss sich Edi Rama der Frage stellen: Hat er als Politiker beides verlernt?
Edi Rama sieht nicht so aus, als hätte er Lust auf dieses Interview. Der zwei Meter große Mann ist tief in seinem Sessel und sein Smartphone versunken, eine runde Brille auf der Nase, vor ihm ein unaufgeräumter Schreibtisch voller Filzstifte. Seit der Corona-Pandemie ist das mit den Begrüßungsritualen so eine Sache. Menschen haben sich an den peinlichen Moment gewöhnt, an dem man sich uneins ist, wie man einander Hallo sagen soll. Mit Händedruck? Mit Ghetto-Faust? Mit Ellbogen? Mit einer verkrampften Verbeugung? Bei Rama muss man sich darüber keine Gedanken machen. Er bleibt sitzen und steht gar nicht erst auf. Kein Smalltalk, keine Begrüßungsworte, einfach nur Schweigen.
Menschen, die mit Rama arbeiten, erzählen, dass Albaniens Ministerpräsident ein sehr launischer Mensch sei, abhängig von seiner Tagesstimmung. »Es war neun Uhr am Morgen und da kam dieser super aufgelegte Typ zur Tür rein«, sagt jemand, der Rama kürzlich für Gespräche getroffen hat, »wir waren überrascht, wie freundlich, aufmerksam und gut vorbereitet er war. Ich wusste ja, dass er auch ganz anders kann.« Rama hat gute und schlechte Tage. Heute, so scheint mir, ist ein schlechter Tag.
Vielleicht schweigt Rama so penetrant, damit ich Zeit habe, sein Büro auf mich wirken zu lassen. Es ist fünf Uhr nachmittags und die Jalousien sind vollständig heruntergezogen. Im Eck steht ein Kleiderständer voller bunter Krawatten, manche davon mit knalligen Motiven bedruckt. Die Wände sind – vom Boden bis zur Decke – mit Ramas Malereien bedeckt: Zeichnungen aus feinen Filzstiftstrichen, die an bunte Organe aus einem Biologielehrbuch erinnern. Im Vorraum hängt ein Basketballkorb, im Flur steht ein Käfig mit zwei grauen Papageien namens Pipu und Lulu. Wenn sie kreischen, klingt es, als würde im Haus der