Al-Banna war noch keine 17 Jahre alt, als er 1923 das Lehrerseminar von Damanhur erfolgreich abschloss. Schon einige Monate zuvor hatte er sich über seinen weiteren Lebensweg Gedanken gemacht und dabei einen seltenen Moment der Unsicherheit erlebt: Eine Reihe seiner Mitschüler plante, ihr Studium am Kairener Dar al-ʿUlum fortzusetzen, einer Art Pädagogischer Hochschule für Arabischlehrer an staatlichen und privaten Grundschulen. Al-Banna war indes unschlüssig: Er las und lernte gerne, profitierte dabei von der Bibliothek des Vaters und Scheich Zahrans, kaufte das eine oder andere und lieh sich ansonsten die Bücher und Zeitschriften aus, die ihn interessierten. Insbesondere liebte er die klassische arabische Dichtung und Prosaliteratur, die zwar weithin geschätzt, an der Azhar und ihren Religiösen Instituten aber allenfalls außerhalb des regulären Unterrichts gelehrt wurden. Nach dem Vorbild Scheich Zahrans wollte er sogar eine eigene Monatszeitschriftash-Shams («Die Sonne») herausgeben, für die er tatsächlich zwei Hefte verfasst zu haben scheint.[1] Mit diesen Interessen stand al-Banna keineswegs allein: Die Lesefreude, ja der Lesehunger seiner Zeitgenossen sind vielfach bezeugt, und wer in Ägypten schreiben konnte, der schrieb.[2] Allerdings hatte der junge Mann mit seinen Scheichs und Lehrern auch Ausschnitte aus al-Ghazalis «Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften» gelesen, wo der große Gelehrte zwischen nützlichem und unnützem Wissen unterschied: Nützlich war alles, was zur korrekten Ausübung der religiösen Pflichten und zum Broterwerb befähigte, der Rest war unnütz. Al-Banna verstand al-Ghazali dahingehend, dass zu viel Wissen sogar schade, und zwar nicht, weil es den Weg zur Wahrheit versperrte, wie inspirierte Sufis glaubten, sondern weil es vom Handeln abhielt. Zugleich drängte al-Ghazali, wie so viele fromme Muslime vor und nach ihm, auf einen sorgsamen Umgang mit der Zeit.[3] Auch die sunnitischen Reformer stellten angewandtes, praktisches Wissen über bloßes Bücherwissen, und sie taten dies nicht allein unter dem Einfluss französischer Saint-Simonisten und angelsächsischer Utilitari