Sie erwachte vor dem Hellwerden. Wenn sie getrunken hatte, konnte sie wegen des Adrenalinschubs nicht gut schlafen. Sie drehte sich auf die Seite, um die Übelkeit leichter in den Griff zu kriegen. Sie roch Boris’ Erkältung. Wie immer schlief er mit offenem Mund und atmete laut. Wie gewöhnlich hatte er sich mitten in der Nacht unhörbar in ihr Bett geschlichen und sich weich wie eine kleine Schlange an sie geschmiegt. Nie schmiegte er sich an Sergei, immer nur an sie. Obwohl Vater und Sohn im wachen Zustand gut miteinander harmonierten, vermied Boris die Berührung mit seinem Vater. Vielleicht war es das übliche Unbehagen eines Jungen, eine Art Verlegenheit neben dem größeren, breiteren und ausgeprägt männlichen Körper, aber oft dachte sie, dass Boris, ebenso wie sie, vor ihrer Ähnlichkeit erschrocken sein könnte. In der Regel sind Kinder das Echo der kindlichen Versionen ihrer Eltern, aber Boris war schon mit sieben Jahren eine kleine Ausgabe des erwachsenen Sergei: dunkles struppiges Haar, das sich weder kämmen noch formen ließ, hellblaue, für Momente erschreckend kalte Augen, eine scharfe Kurve zwischen Nase und Oberlippe, eckige Schultern, die den ansonsten durchschnittlich großen, aber kräftigen Körper größer erscheinen ließen. Boris hatte sogar Sergeis Gang geerbt, zusammen mit allen schrulligen Details. Mit dem komischen Schaukeln, wenn er es eilig hatte, und dem ungelenken Schlurfen, wenn er Sandalen tragen musste. Vermutlich, dachte sie, weckt übergroße Nähe bei Boris kein Vertrauen. Obwohl noch ein Kind, wollte er doch ein Original sein.