GEIGERZÄHLER
Kevin, Lorin und Mike haben sich über Wien gelegt, Ortwin kündigt sich an. Sie unterscheiden sich kaum in ihrer Penetranz, über Mitteleuropa hat sich ein sommerliches Hochdrucksystem festgesetzt, das die Stadt zum Kochen bringt.
Die ausschließlich männlichen oder weiblichen Namen der Hochs eines Jahres können im Herbst des Vorjahres beantragt werden, die Patenschaften gehen weg wie warme Semmeln. Jeden Tag beantwortet die Mitarbeiterin am Meteorologischen Institut am Carl-Heinrich-Becker-Weg in Berlin freundlich weitere Anfragen mit dem Verweis, sich doch auf die Warteliste für das übernächste Jahr setzen zu lassen. Sie könne sich das große Interesse auch kaum erklären, ein paar der Tiefs hingegen seien noch offen, nach Nadine, Oriana, Pamela und Roswitha zum Beispiel, in diesem Fall natürlich dann weiblich, ob das etwas ausmache? Allerdings baue sich der Temperaturüberschuss nur langsam ab, das Wetter sei mit durchschnittlich 4,8 Grad zu warm, auch hier sei die Warteliste ratsam.
Es fehlt an Niederschlag, die Felder liegen gelblichbraun in der Landschaft, im Radio wird über die Ernteausfälle diskutiert. Ein Jungbauer tippt auf das Display, gleichmäßiger Technobeat ersetzt die aufgeregten Stimmen und lässt die Scheiben leicht vibrieren. Er ist mit seinen Gedanken ganz woanders, im Rückspiegel verschwindet die Ortschaft Gols im aufgewirbelten Staub. Sein vollklimatisierter Traktor schneidet Schneisen in das vertrocknete Maisfeld, ein paar Rehe springen aufgescheucht hoch.
Vor dem Serralves-Museum in Porto steht ein Rettungswagen mit Blaulicht. Zwei Sanitäterinnen laufen mit einer Trage durch die Ausstellungsräume. Eine junge Frau, die die Aufsicht hat, zeigt ihnen den Weg. Man weiß nicht, warum der Mann die Warnschilder nicht ernst genommen hat, sagt sie hastig. So etwas sei noch nicht vorgekommen. Drei Kollegen von der Feuerwehr hätten sich schon in das zwei Meter vierzig tiefe Loch der Installation abgeseilt, es sei also alles zur Bergung bereit. Der Besucher sei anscheinend davon ausgegangen, dass es si