: Veronika Stöhr
: Zeit des Lavendels
: dp Verlag
: 9783968179148
: 1
: CHF 5,30
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German

Zwei Schwestern, ein Geheimnis und der wunderbare Duft des Frühlings
Der spannende Liebesroman für Fans von Familiensagas

1946 zieht die junge Marlene Eigern in den Wienerwald, um dort in einer Villa für die Familie Reuy zu arbeiten. Sie hofft auf ein Leben in Sicherheit, doch nach einem Unfall muss sie in den Wirren der Nachkriegszeit eine Entscheidung treffen, die nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihrer Familie für immer verändert.

Üb r 70 Jahre später kehren die beiden Zwillingsschwestern Charlotte und Valerie zurück in die Villa Reuy. Die Schwestern sind sich im Laufe der Zeit fremd geworden, doch als sie auf alte Aufzeichnungen ihrer Urgroßmutter Marlene stoßen, kommen sie einem gut behüteten Geheimnis auf die Spur, dessen Schatten bis in die Gegenwart reichen…

Erst Leser:innenstimmen
„Spannend und einfühlsam erzählte Familiengeschichte, sehr zu empfehlen!“
„Romantisch, bewegend, wunderschön.“< r />„Trotz der Zeitebenen flüssig zu lesen und bis zum Schluss mitreißend– tolles Familiengeheimnis!“ br />„Ein gefühlvolles, lebendiges und in den Bann ziehendes Leservergnügen.“



Veronika Stöhr wurde 1997 in Niederösterreich in der Nähe von Wien geboren, wo sie auch heute noch lebt. Die Liebe zum Geschichtenerzählen entdeckte sie schon früh, ihr erstes Buch schrieb sie mit neun Jahren. In ihrer Schulzeit verbrachte sie ein halbes Jahr an einer US-amerikanischen High School in Texas, nach der Matura studierte sie an der Universität Wien. Neben dem Schreiben reist sie gerne in andere Länder, macht Musik und ist mit ihrem Hund in der Natur unterwegs.

2


Seine Schritte waren langsamer geworden im Laufe der Jahre; jedes Mal, wenn er an dem Wegweiser mit den Efeuranken vorbeikam, musste er kurz innehalten, um nach Luft zu schnappen. Es war kein Berg, den er bestieg, doch der Hügel hatte es in sich. Kaum, dass er die letzten Häuser hinter sich gelassen hatte, verlor sich die Straße in einem asphaltierten Gehweg, vorbei an Erbsenfeldern und einer Kuhweide, die seit Jahren nicht mehr bewirtschaftet wurde.

Im Sommer schien die Sonne direkt auf den Weg, weiter weg vom Waldrand gab es keine schattenspendenden Bäume, nur Gräser, die ihm bis zur Hüfte reichten, wenn er eine Abkürzung durch das Feld nahm. Jetzt, im Herbst, leuchtete der Wald über ihm in allen Farben, und fast verlor er sich in dem Anblick, der ihn sein Leben lang begleitet hatte.

Von hier war es nicht mehr weit, wenn er es bis zum Wegweiser geschafft hatte, konnte er den alten Friedhof mit bloßem Auge in der Ferne erkennen. Dass an diesem Ort einmal Menschen begraben und Grabsteine aufgestellt worden waren, das wusste von den wenigen jungen Leuten, die in Fraislach wohnten, keiner mehr. Schon damals als Kind hatte er sich gefragt, weshalb der Friedhof nicht wie üblich um die Kirche im Zentrum der Gemeinde errichtet worden war, sondern weit außerhalb auf der Anhöhe, die Richtung Burg Fraislach führte. Aber er hatte keine Antwort darauf bekommen, die Menschen hatten es akzeptiert, bis das Feld zu klein geworden und die Gräber eines nach dem anderen umgesiedelt worden waren.

Der alte Friedhof war heute nicht mehr als solches zu erkennen. Der Zaun war weggerissen worden, genauso wie der Großteil der Grabsteine, die auf dem neuen Friedhof etwa vier Kilometer weiter standen. Nur eine Steintafel, die versteckt zwischen zwei Föhren im Schatten platziert und wie der Wegweiser mit Efeu bedeckt war, erinnerte an die Menschen, die unter dem Feld begraben lagen. Aber nicht alle Grabsteine waren verschwunden, neben der Tafel ragten drei verwitterte Holzkreuze nach wie vor aus dem Boden. Einmal pro Monat kam er hierher; es war ein Ritual, das er nicht auslassen konnte, egal, wie beschäftigter war.

Er war es ihm schuldig, fand er – wer wusste denn noch außer ihm, was damals passiert war? Hier zu stehen, den Blick in die Vergangenheit zu richten und den verlorenen Menschen wieder vor Augen zu sehen, erfüllte ihn mit Bescheidenheit und Ehrfurcht vor dem Leben. Eine Gänsehaut überzog seine Haut, während er einen Schritt auf den Grabstein zumachte und seine Hand auf die raue Fläche legte. In Gedanken betete er ein Vater unser, dann schoss ihm die Frage durch den Kopf, die ihn immer einholte, wenn er hierherkam; warum es damals so und nicht anders gekommen war. Dass Glück an jenem Tag darüber entschieden hatte, wer in diesem Grab unter ihm liegen würde – diese Ungerechtigkeit hatte ihn vor vielen Jahren beinahe zu Grunde gehen lassen. Er war ein rationaler Mensch gewesen, hatte gewusst, was er vom Leben wollte – und dann hatte sich das Schicksal eingemischt, an das er zuvor nicht geglaubt hatte. Hatte einen Tag wie jeden anderen in eine Tragödie verwandelt, und ihn zu einem Zweifler gemacht.

Eigentlich hätte er die Geschichte schon längst vergessen sollen. Über sechzig Jahre war es her, und in der Zwischenzeit hatte er andere Dinge erlebt, die ihn erschreckt, schockiert und berührt hatten – doch dieser Ort, der Zwischenfall damals, dieser Zufall ... es zog ihn immer wieder her, sein ganzes Leben.

Er blieb nie lange, die Gefühle, die sich langsam in seinem Inneren regten, drohten ihn sonst zu überrollen. Als er seiner verstorbenen Frau davon erzählt hatte, welche Gedanken ihn plagten, wenn er herkam, hatte sie nur verständnislos den Kopf geschüttelt.

Sei froh, dass du lebst, hatte sie gesagt, und das Thema damit beendet. Das war er. Er war froh, zu leben, und nicht unter der Erde zu liegen. Und trotzdem war es nicht immer einfach, der Überlebende zu sein. Der, der sein Leben nun, da ihm mehr Zeit geschenkt worden war, weise nutzen musste, ja etwas daraus machen sollte. Das woll