Kapitel 2
Um diese Zeit war der Seitenausgang der U-Bahn-Station Hermannstraße fast immer vollständig verwaist. Zu viele tote Winkel, keine Kameraüberwachung – und dann auch noch dieser beißende Uringeruch.
BVG-Wachpersonal?
Fehlanzeige.
Quang kam gedankenverloren die Treppe hinunter und fand sich kurz darauf in einer überraschend brenzligen Situation mit zwei kräftigen Berlinern wieder. Körpersprache und Mimik der drei Beteiligten verrieten unverkennbar, dass Quang gerade ordentlich in die Mangel genommen wurde. Die Faust des einen Einheimischen umfasste den oberen Teil von Quangs Hemd so fest, dass einige der kleinen Knöpfe abrissen und zu Boden fielen. Der gerade an die Wand Gedrückte spürte die unbändige Kraft, die von dieser Faust ausging. Es fiel ihm schwer zu atmen, obwohl sein Hals nur leicht vom Stoff des Hemdes eingeengt wurde. Die weiße Faust zog ruckartig an seinem Kragen, sodass noch mehr Knöpfe abplatzten und sein Kopf beinahe gegen den Schädel seines Peinigers krachte. Quang blickte in stahlblaue Augen, die ihn düster anstarrten. Plötzlich schnellte auch die bisher untätige Linke hervor und schloss sich wie ein Schraubstock um seinen Hals.
„Was meinst du damit, dass du nichts mehr für uns verticken willst?“, schnauzte ihn eine respekteinflößend tiefe Stimme an. „Ich hab dich nicht nach deinen Träumen gefragt!“
Die kurze dramaturgische Pause nutzten die stahlblauen Augen für einen ebenso abgründigen wie einschüchternden Blick.
„Raff es endlich: Das ist sowas wie ein Befehl! Außerdem wärst du ja echt blöd, gerade jetzt auszusteigen – wo es nun endlich so richtig läuft.“
Quang riss sich mit aller Macht zusammen, vielleicht gab es ja doch noch irgendeine Chance, heil aus der Situation rauszukommen.
„Ich will hier Geld verdienen und eine Familie gründen – aber nicht in ein Gefängnis gehen.“
Die beiden Männer mit den durchtrainierten Figuren grinsten ihn hämisch an. Diesen realitätsfernen Idealismus hatten sie schon o