1. KAPITEL
„Er hat dich wirklich gefragt, ob du dazu bereit bist?“ Lexi Delacourt lachte glockenhell auf.
„Ja klar.“ Alle Blicke waren auf Dr. Michelle Kerns gerichtet. Der Roman, den sie im Lesezirkel gerade besprachen, war plötzlich kein Thema mehr.
Als eine der Frauen sich darüber entrüstet hatte, dass der Held sein Pferd mit der Peitsche traktierte, war Michelle ihr Verflossener eingefallen: Larry, ein Pharmazievertreter aus Idaho, mit dem sie ein paarmal ausgegangen war. Bis sie feststellte, dass er eine Schwäche für Peitschen hatte, genauer gesagt: Er stand darauf, ausgepeitscht zu werden.
„Und was hast du ihm geantwortet?“, fragte Karen Fisher mit großen Augen. Dafür, dass sie fünf Kinder bekommen hatte, war die Krankenschwester manchmal etwas naiv, was die Männerwelt anbetraf.
„Erst mal musste ich schlucken.“ Michelle sah sich unauffällig im Café um, ob auch niemand von den Nachbartischen zuhörte. „Dann habe ich ihm gesagt, dass ich auf so was nicht stehe, und ihm den Laufpass gegeben.“
„Du hast aber auch immer ein Glück mit den Männern“, seufzte Lexi. „Hast du jemals einen normalen Kerl aufgetan?“
Seit zwei Jahren wohnte Michelle in Jackson Hole, und alle zwei Wochen traf sie sich mit ihren Freundinnen vom Lesezirkel. Bei dieser Gelegenheit wurde natürlich auch viel Privates ausgetauscht.
So wussten die Freundinnen von Michelles erstem Schwarm in der Highschool, der sich als schwul herausgestellt hatte. Und dass sie sich im College in einen Kommilitonen verliebt hatte, der verheiratet war – was er ihr allerdings verschwiegen hatte. Und dann hatte es einen in Saint Louis gegeben, der sich als Stalker erwiesen hatte. „Es gab schon ein paar Normale, zum Beispiel meinen Exmann Ed.“
„Ach, verheiratet warst du auch schon?“ Karen sah ihre Freundin Lexi an. „Hast du das gewusst?“ Lexi schüttelte den Kopf.
„Hab ich euch das noch nicht erzählt? Das war auch in meiner Zeit in Saint Louis. Die Ehe hat nur zwei Jahre gehalten.“ Obwohl seit der Scheidung drei Jahre vergangen waren, überkam Michelle noch immer ein Gefühl von Versagen, wenn sie daran dachte.
„Das war sicher schwer für dich.“ Betsy Harcourt berührte Michelles Hand. „Was ist denn schiefgegangen? Oder findest du die Frage zu indiskret?“
„Ed war Witwer und hatte zwei halbwüchsige Töchter.“ Michelle versuchte, gleichmütig zu klingen. „Die Mädchen und ich wurden nicht warm miteinander, und Ed hat schlussendlich zu ihnen gehalten. Es war von Anfang an eine schwierige Situation.“
Nur ungern dachte sie an diese dunkle Zeit in ihrem Leben zurück. Bei der Hochzeit war sie überzeugt gewesen, dass es für immer sei. Ihre Eltern waren damals schon achtunddreißig Jahre verheiratet, und niemand in ihrer Familie war geschieden.
Trotzdem hatte Michelle die Hoffnung nicht aufgegeben. Nur würde sie beim nächsten Mal vorsichtiger sein. Um