: J. David Simons
: Eine unbeugsame Frau
: Europa Verlag GmbH& Co. KG
: 9783958902442
: 1
: CHF 10,60
:
: Erzählende Literatur
: German
: 408
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als die Filmschauspielerin Laura Scott von ihrer Agentin geschasst wird, weil sie die fünfzig überschritten hat und als schwer vermittelbar gilt, scheint es mit ihrer Karriere vorbei zu sein. Doch noch am selben Tag tut sich unverhofft eine völlig neue Perspektive auf: Sie bekommt das Angebot, in einem Einpersonenstück zu spielen. Ein Theaterstück über Georgie Hepburn, eine Schauspielerin, Pilotin und Fotografin, die sie schon immer verehrt hat. Laura beginnt, über Georgie zu recherchieren, und taucht in das Leben der im Jahr 1900 Geborenen ein. Georgie war Schauspielerin in der Stummfilmzeit, deren Karriere plötzlich abbrach, ohne dass man weiß, warum. Sie war Pilotin, flog 1931 mit ihrem Geliebten nach Palästina und unterstützte im Zweiten Weltkrieg die britische Luftwaffe mit Botenflügen. Später wandte sie sich der Fotografie zu. Laura begegnet in Georgies Nachlass einer Frau, die in den 1920er-Jahren jung war und ihr Dasein in vollen Zügen genoss. Sie kommt aber auch Geheimnissen im Leben der Freiheitsliebenden auf die Spur, die immer wieder Rückschläge einstecken musste, sich aber nie brechen ließ. Ein großartiger Roman über Frauen, die auf der Suche nach einem glücklichen Leben geradlinig und integer bleiben.

J. David Simons, Jahrgang 1953, zählt zu den herausragenden Autoren Schottlands. Der ausgebildete Rechtsanwalt lebte in den 70er-Jahren in einem Kibbuz in Israel und arbeitete später als Dozent an der Kei? University in Japan. Er ist Autor zahlreicher Romane, Kurzgeschichten und Essays. Sein Debütroman The Credit Draper stand 2009 auf der Shortlist des renommierten McKitterick Prize. 2017 erschien im Europa Verlag sein Roman Ein feines Gespür für Schönheit.

KAPITEL SECHS


DER HEPBURN-NACHLASS


AUSZUG AUS DEN UNVERÖFFENTLICHTEN
ERINNERUNGEN

Mein Vater Captain Frank Hepburn kam am 1. Juli 1918 ums Leben, als seine Maschine in der Nähe der französischen Stadt Lens abgeschossen wurde. Ein Jahr vorher hatte man ihn für besondere Verdienste während eines Einsatzes im feindlichen Feuer über Arras ausgezeichnet. Er war einer der ältesten Kampfpiloten der königlichen Luftwaffe und hatte fünfzehn siegreiche Angriffe geflogen. Wäre mein Vater nur vier weitere Monate verschont geblieben, wäre der Krieg zu Ende gewesen, und er hätte heimkommen können. So aber wurde seine Leiche nie geborgen, und nur sein Namenszug in einer Gedenkwand auf dem Friedhof Faubourg d’Amiens im nordfranzösischen Arras erinnert an ihn. In meinen mittleren Jahren habe ich den Ort einmal besucht und mit dem Finger über seinen Namen gestrichen, einen von fast fünfunddreißigtausend. Dabei meinte ich überdeutlich die Geister all jener verschwendeten Leben wahrzunehmen.

Meine Mutter wurde mit sechsunddreißig Jahren Witwe. Ich glaube nicht, dass sie den Tod meines Vaters je verwunden hat. Sie suchte von da an vermehrt Trost in dem, was sie schon immer aufgemuntert hatte – Kirche, Garten, Dorfgemeinschaft –, aber leider nicht bei mir. Der Tod meines Vaters brachte uns eher weiter auseinander als näher zusammen. So verlor ich nicht nur meinen Vater, sondern auch meine Mutter. Mit achtzehn Jahren stand ich als Waise da.

Wenn ich auf jene Zeit zurückblicke, schäme ich mich, wie wenig Gedanken ich mir nach dem Tod meines Vaters über Mama machte. Ich vermutete, dass sie eine Art Kriegerwitwenrente bezog, aber im Grunde hatte ich keine Ahnung von ihren Einkünften und Ausgaben, ihren Sorgen, wie sie das Cottage halten, Essen auf den Tisch bringen und die Rechnungen begleichen sollte. All das hatte sie immer Papa überlassen, und nun war er nicht mehr da. Wie wurde sie mit dem Tod ihres Mannes fertig? Warum zog sie sich von mir zurück? Was scherte es mich. Ich kapselte mich in meinem egoistischen Ehrgeiz ein.