Aperitif
Frühling 2007. Ich bin 22 Jahre alt und nach Berlin gezogen, weil ich ein bedeutender Filmregisseur werden will. Ich weiß, dass das deutsche Kino ein Problem hat, dass es zahnlos und kleinmütig ist, und ich weiß auch, dass ich die Wende bringen kann, wenn man mich lässt. Was ich derweil nicht weiß, ist, wovon ich die nächste Miete bezahlen soll.
Als ich 2005 in die Hauptstadt gekommen bin, war für meinen Unterhalt noch gesorgt. Zumindest während der ersten neun Monate, die ich als Zivi in einem Neuköllner Hospiz verbrachte. Die Krankenschwestern und Pfleger blieben in dieser Zeit mein einziger sozialer Kontakt. Es war mir ein Rätsel, wie ich Berlin knacken, wie ich mich dieser riesigen Stadt auch innerlich nähern sollte.
Tag für Tag unternahm ich Streifzüge in den 5-Kilometer-Radius um meine Wohnung – Wedding, Mitte, Prenzlauer Berg – und setzte mich abends in die Kneipen auf der Kastanienallee. Doch ich blieb ein Tourist, lebte provisorisch und aus dem Koffer. Einen Raum meiner Zweizimmerwohnung nutzte ich gar nicht, im anderen gab es außer einer Matratze nur einen kleinen Fernseher mit Videorecorder. Den fütterte ich mit Kassetten aus der Videothek. Ich studierte die Gesamtwerke von Woody Allen, Fellini, Kubrick, und ich tat es mit einer hingebungsvollen Naivität. Als müsste allein das wiederholte Ansehen vonCitizen Kane genügen, um sich das Handwerkszeug zum Filmemachen anzueignen.
Im März 2006 hatte ich dann den ersten Kontakt mit dem Showbusiness. Ich fasste den Plan, an der PotsdamerHochschule für Film und Fernsehen (HFF) zu studieren. Um sich dort bewerben zu dürfen, musste man allerdings sechs Monate praktische Erfahrung vorweisen können. Da ich keinerlei Kontakte zu einem Theater oder Filmschaffenden hatte, schien das gar nicht so einfach.
Schließlich durfte ich als Regiehospitant beim Gastspiel eines österreichischen Regisseurs arbeiten, das im Kronprinzenpalais an der Prachtstraße Unter den Linden aufgeführt wurde. Ich war während der Probenzeit dafür verantwortlich, der 87-jährigen Eleonore Zetzsche ihren Text einzupauken. Im Grunde blieb meine Tätigkeit also die gleiche wie im Zivildienst, ich war Altenpfleger, nur dass ich diesmal eine Theaterlegende betreute. Als Urgestein des Berliner Ensembles war Frau Zetzsche noch von Bertolt Brecht persönlich inszeniert worden. Nach Probenschluss führte sie mich aus, lud mich im mondänenGanymed zum Essen ein, wo sie einen eigenen, mit Messingschild gekennzeichneten Stammplatz neben dem Eingang hatte.
Noch beeindruckender als dieseGrand Dame war für mich der naturgewaltige, oft despotische Regisseur. Bis zum Beginn der öffentlichen Aufführungen waren fast alle Praktikanten gefeuert worden oder freiwillig gegangen. Jeden Tag zitterte ich um seine Unterschrift auf meiner Praktikumsbestätigung, ein Dokument, dem ich in meiner Dummheit heilige Bedeutung beimaß. Er würde mir erst Jahre später verraten, dass für jemanden, der Regisseur werden will, Regeln nichts gelten, dass ein echter Filmemacher sich einfach nimmt, was er will. Aber diese Geschichte wird woanders erzählt.
Wenn es mir in diesem hektischen Theateralltag gelang, eine kurze Essenspause einz