Ein Spiel von Licht und Schatten
Das Leben gleicht einem Spiel aus Licht und Schatten. Die biblische Weltgeschichte erzählt sogar, dass Gott selbst es ganz am Anfang spielt: Gott fügt Licht und Schatten in einen täglichen Wechsel von Mit- und Gegeneinander. Das Leben lebt vom Spiel mit seinen Gegensätzen.
Das gilt genauso für den Glauben. Er ist ein Spiel der Kontraste, lebt von Licht und Schatten. Denn jeder Glaube bringt immer seinen Schatten des Unglaubens mit; jeder Glaube enthält in sich etwas, das ihn zugleich infrage stellt. Wir sind glaubende Ungläubige und ungläubige Glaubende.1 Das beschreibt in wunderbar verstörender Klarheit, wie ich Glauben erlebe: Das mehr oder weniger fromme Leben ist ein ständiges Mit- und Ineinander, ein Zu-, Mit- und Gegeneinander von Glaube und Unglaube. Gerade in dieser Mischung ist der Glaube eine faszinierende Bereicherung für das Leben.
In der Tradition, in der mein eigener Glaube entstanden ist, wird Unglaube gemeinhin als etwas wahrgenommen, das es zu überwinden gilt. Wenn nicht gar als etwas Bedrohliches. Und da ist durchaus etwas dran. Wer als Glaubende:r den eigenen Unglauben entdeckt, muss akzeptieren, sich verletzlich zu machen. Ihn als Teil des eigenen Glaubens zu akzeptieren, fällt deshalb oftmals schwer.
Die verständliche Reaktion wäre, den Glauben so gut es geht abzusichern, sich in seinem Licht zu sonnen und die Schatten höchstens zähneknirschend zur Kenntnis zu nehmen, zähneklappernd zu ignorieren oder zähnezeigend zu bekämpfen. Mehr und mehr aber finde ich diese Art zu glauben weder ehrlich noch gesund. Jedenfalls nicht für mich.
Denn auch wenn es mir anders lieber wäre, steht mein Glaube auf wackligen oder wenigstens sehr ungleichen Beinen. Auf einem, das glaubt, und auf einem, das sich da manchmal nicht so sicher ist. Doch erst in dieser Einsicht in den eigenen Unglauben beginnt für mich das Verstehen des Glaubens oder wie der katholische Theologe Johann Baptist Metz (1928–2019) es schreibt:
„Erst wo der Glaube sich so dem Unglauben stellt, erfährt er sich selbst als den Ort, an dem in der Tat immer die absolute Sinnfrage des konkreten Daseins gestellt wird, an dem nichts und keines von vornherein sicher und auf jeden Fall klar und fraglos ist.“2
Unglaube beschreibt nicht nurandere Menschen, sondern da geht es um mich selbst und meinen Glauben in seiner tiefsten Verletzlichkeit. Glaube ist nämlich alles andere als selbstverständlich. Wäre ich nur ein paar Hundert Kilometer weiter rechts oder links auf der Landkarte ins Dasein hineingeboren, dann wäre mir womöglich nie ein religiöser Glaube geschenkt worden. Nimmt man all die anderen Zufälligkeiten des Lebens hinzu, wird man sagen können: Glaube ist recht unwahrscheinlich, er hängt an den seidenen Fäden eines Mobiles aus Biografie und Geografie, Prägung und Bildung, Sehnsucht und Erfahrung.
Als in meinem Fall die Sache mit dem „Hineingeborenwerden“ erledigt war, verflüchtigten sich jedoch schnell die Unwahrscheinlichkeiten. Die evangelische und zudem freikirchliche Tradition meiner Eltern und Großeltern wurde schnell zu meiner eigenen. Und mit dem Unwahrscheinlichen der Geburt verschwand allm