: Josep Maria Esquirol
: Der intime Widerstand Eine Philosophie der Nähe
: Felix Meiner Verlag
: 9783787340125
: Blaue Reihe
: 1
: CHF 13.30
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: 20. und 21. Jahrhundert
: German
: 174
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Intime wie auch das Nächste ist mit dem Zuhause verbunden, mit der Familie, dem alltäglichen Brot, dem Freund, den Büchern, den Träumen und der Luft, die man atmet ... Sein Gegenteil ist nicht die Ferne, sondern die Gleichgültigkeit: Der Himmel, durch ein Fenster betrachtet, kann Teil dieser Intimität sein, während etwas, das wir beinahe auf der Haut tragen, wie die Kreditkarte, die man gewöhnlich in der Brieftasche aufbewahrt, uns in Wirklichkeit sehr fremd sein kann. Oft ist Leben als Projekt, Freiheit, Entscheidung oder Selbstverwirklichung verstanden worden, als eine Art zentrifugale und zur Schau stellende Bewegung. In diesem Essay geht es darum, wie eine solche Bewegung sich mit einer anderen verknüpft, die Esquirol als Widerstand, Zuflucht und den Rückzug in die Nähe bezeichnet. »Intimer Widerstand« meint keinerlei Individualismus oder Narzissmus, sondern eher Zurückhaltung und Generosität. Die Reflexion über den intimen Widerstand wird so zu einer Philosophie der Nähe.

Josep María Esquirol ist Professor für Philosophie an der Universitat de Barcelona und Leiter der Forschungsgruppe »Aporia«, die sich insbesondere mit der Verbindung von Philosophie und Psychiatrie beschäftigt. Er veröffentlichte rund ein Dutzend Bücher. Die in den letzten Jahren entstandenen Werke, in prägnantem Stil verfasst und bewusst miteinander verknüpft, bringen eine Philosophie der menschlichen Existenz zum Ausdruck.

I AUFLÖSUNG UND RESISTENZ


Es gibt Einsamkeiten, die sich auf unvergleichliche Weise miteinander teilen lassen. Eigentlich kann nur der wirklich mit anderen zusammen sein, der fähig ist, einsam zu sein. An die Wand des Zimmers eines Einsiedlers, in einem heruntergekommenen Haus in der italienischen Stadt Turin, standen die Worte geschrieben: »Wer in die Wüste geht, ist kein Deserteur«. Paradoxerweise, trotz der Bedeutung des Begriffs Deserteur (jemand, der eine Pflicht oder ein Versprechen aufgibt und an einen unbewohnten Ort flieht), enthielt diese Inschrift vielleicht die ganze Wahrheit. Im übertragenen Sinn findet man die Wüste natürlich nicht nur in weiten Flächen karger und rissiger Erde oder in den von der Sonne der Gerechtigkeit versengten Sandmeeren; die Wüste ist überall und nirgendwo: mitten in der Stadt, zum Beispiel. Wer in die Wüste geht, ist vor allem einWiderstandskämpfer. Er braucht seinen Mut nicht, um sich auszubreiten, sondern um sich zusammenzuhalten und so den äußeren Bedingungen standzuhalten. Der, der Widerstand leistet, strebt nicht nach Beherrschung, nicht nach Kolonisation, nicht nach Macht. Er will sich in erster Linie nicht selbst verlieren und gleichzeitig, auf sehr spezielle Weise, anderen dienen. Dies sollte nicht mit einem einfachen und plakativen Protest verwechselt werden; Resistenz ist meistens unauffällig.

Der Widerstand ist nicht nur Einsiedlern und Eremiten eigen. Existieren bedeutet, zumindest teilweis