Der relativ bescheidene Bildungsstand meiner Eltern spiegelte sich, wie nicht anders zu erwarten, in ihren Lektüregewohnheiten. Mein Vater las regelmäßig die BILD-Zeitung und vertraute ihr so blind, wie er vermutlich schon jedes Wort des Stürmers oder des Völkischen Beobachter für bare Münze genommen hatte. Wie gesagt, beiden eignete im Kleinen wie im Großen eine gehörige Portion Unbelehrbarkeit ähnlich derer, die ich sie in jüngerer Zeit bei Anhänger*Innen aller nur erdenkli-chen Verschwörungstheorien beobachten konnte. Wie diese lebten meine Eltern in einer Blase, deren unsichtbare Hülle mit Argumenten nicht zu durchdringen war. Ein hier wie dort psychologisch verständlicher Reflex, denn wer sich im alleinigen Besitz der Wahrheit wähnt und immer nur die anderen für intellektuelle Geisterfahrer hält, muss sich nicht mehr der quälenden Unzulänglichkeit eigenen Ignoranz stellen.
Andererseits: hätte Donald Trump irgendwann behauptet, die Kugel-form der in Wahrheit flachen Scheibe Erde gehöre zu den ältesten „fake news“ des Establishments, siebzig Millionen nicht nur notorisch bildungsferne Amerikaner hätten ihm mit den Worten applaudiert: „Endlich mal jemand, der es auszusprechen wagt.“ Auch Lernen will gelernt sein: wer sich verachtet fühlt, tut gut daran, verächtlich dreinzublicken.
Meine Mutter hielt sich eher an die Illustrierten, die im leicht kartonierten und in grau-grün gemaserter Tarnfarbe gehaltenem Schutzeinband durch den Lesering vertrieben die Runde machten wie Pornohefte im Jugendklub. Der sachliche Informationsgehalt der Illustrierten tendierte, wohlwollend ausgedrückt, gegen Null. Weshalb es auch so gut wie keine Rolle spielte, wann man in den vorübergehenden Besitz von Quick, Stern, Bunter und so weiter gelangte und erfuhr, ob der Haussegen bei den Garibaldis von Monaco immer noch schief hing oder der Schah von Persien Farah Diba Pahlavi d