An einem Herbstabend in der Nähe von Maindorf
Die Dämmerung breitete sich wie ein Mantel über die Weinberge und verwandelte die kräftigen Herbstfarben der Weinstöcke immer mehr in ein sanftes pastellfarbenes Landschaftsgemälde. Die schwarze Luxuslimousine fuhr mit Standlicht im Schleichgang den geschotterten obersten Weinbergsweg entlang. Der Fahrer bemühte sich, den Steinschlag durch hochschlagenden Split möglichst gering zu halten. Unter den drei Männern im Wageninneren herrschte Schweigen. Die drei waren Hauptakteure eines ungewöhnlichen Plans, dessen Fundamente jetzt in Form gegossen werden sollten.
„Wir sind da“, durchbrach der Fahrer das Schweigen. „Da vorne ist es.“ Aus dem schwachen Licht tauchten etwas entfernt die kantigen Konturen eines weißgestrichenen Weinbergshäuschens auf. Der Mann auf dem Rücksitz beugte sich nach vorn und übersetzte die Worte des Mannes am Lenkrad für den Beifahrer in bestes Mandarin, die chinesische Hochsprache. Der kleine schlanke Mann neben dem Fahrer nickte. Auch im Profil war seine chinesische Herkunft deutlich zu erkennen. Die dichten schwarzen Haare trug er streng nach hinten gekämmt, wo sie mit reichlich Gel an Ort und Stelle gehalten wurden.
„Das ist ja winzig“, übersetzte der Dolmetscher die Worte des Chinesen.
Das steinerne Weinbergshäuschen stand direkt am Grenzweg zwischen den Weinbergen und dem darüberliegenden Trockenrasengebiet oberhalb von Maindorf, einem bekannten Weinort am Main.
Das Häuschen besaß zwei Fenster, die offenbar mit Gardinen verhängt