: Johann Hinrich Claussen, Wilfried Engemann, Wilhelm Gräb, Doris Hiller, Kathrin Oxen, Christopher Spehr, Christian Stäblein, Birgit Weyel
: Predigtstudien 2021/2022 - 2. Halbband 3. Sonntag nach Ostern bis Totensonntag - Perikopenreihe IV
: Kreuz Verlag
: 9783451824876
: 1
: CHF 19.90
:
: Praktische Theologie
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Predigtstudien sind eine bewährte Arbeitshilfe für die qualifizierte und fundierte Predigtvorbereitung. Sie enthalten praxisorientierte Anregungen für die Predigt und die Gestaltung des Gottesdienstes. Jeder Predigttext wird von zwei Theologinnen/Theologen aus Gemeindearbeit, Kirchenleitung und Wissenschaft bearbeitet. Dieser Dialog verbindet wissenschaftliches Niveau mit homiletischer Praxis.

Prof. Dr. Johann Hinrich Claussen, geboren 1964 in Hamburg. Studium der evangelischen Theologie in Tübingen, Hamburg und London. 1997 bis 2001 Gemeindepastor in Reinbek, bei Hamburg. 2004 bis 2016 Hauptpastor an der Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern und Propst im Kirchenkreis Hamburg-Ost. Seit 2016 Kulturbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Seit 2019 Honorarprofessor an der Humboldt Universität zu Berlin. Regelmäßige journalistische Arbeiten u.a. für die 'Süddeutsche Zeitung' und die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung'. Zahlreiche Buchveröffentlichungen. Wilfried Engemann, geb. 1959, ist Universitätsprofessor für Praktische Theologie. Er lehrt dieses Fach seit 1986. Nach einer Assistentur am Theologischen Seminar Leipzig war er ab 1989 Privatdozent an der Uni Greifswald. 1994 wurde er als Ordinarius für Praktische Theologie an die Uni Münster berufen. Im WS 2011 wechselte er an das Institut für Praktische Theologie und Religionspsychologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Uni Wien. Dem Fachpublikum ist er auch als Mitherausgeber der Zeitschrift Wege zum Menschen sowie durch das Lehrbuch Einführung in die Homiletik (2. Aufl. 2011) bekannt. Wilhelm Gräb, Dr. theol. (1948-2023), in Bad Säckingen/Rhein; Er war zwischen 1987-1992 Pfarrer in Göttingen; 1993-1999 Professor für Praktische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Er war 1999 Professor für Praktische Theologie mit den Schwerpunkten Homiletik, Seelsorge und Kybernetik an der Humboldt-Universität zu Berlin und Leiter des Instituts für Religionssoziologie. 2001 war er Berliner Universitätsprediger. Er war ab 2011 Honorarprofessor an der Theologischen Fakultät der Universität Stellenbosch, RSA. Doris Hiller, geb. 1968, Studium der Evangelischen Theologie in Erlangen und Heidelberg. 1997 Promotion zur Dr. theol. in Jena. 1998-2000 Vikariat in der Evangelischen Landeskirche in Baden in Hemsbach mit Ordination. 2001-2007 Assistentin am Lehrstuhl Systematische Theologie/Dogmatik in Leipzig, 2011 Habilitation in Bochum. 2008-2012 Gemeindepfarrerin in Ittlingen und Richen (Kirchenbezirk Kraichgau). Seit 2013 Seminardirektorin am Predigerseminar Petersstift und Privatdozentin im Fach Systematische Theologie in Heidelberg. Pfarrerin Kathrin Oxen, geb. 1972, in Neustadt in Holstein, studierte evangelische Theologie in Wuppertal und Berlin. Nach dem kirchlichen Vorbereitungsdienst in Bremen und Lüneburg war sie von 2004 bis Anfang 2012 Pfarrerin der ev.-reformierten Kirche in Mecklenburg-Bützow. Sie absolvierte von 2008 bis 2010 die 'Meisterklasse Predigt' des Atelier Sprache e.V. in Braunschweig. Seit Februar 2012 leitet sie das Zentrum für evangelische Predigtkultur, eine Einrichtung der EKD in der Lutherstadt Wittenberg. Für ihre Predigten wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u. a. 2009 mit dem Predigtpreis des Verlags für die deutsche Wirtschaft in der Kategorie 'Beste Predigt'. Sie ist als Autorin und Herausgeberin für verschiedene Predigthilfen tätig, außerdem als Verfasserin von Rundfunkandachten im MDR und auf Deutschlandradio Kultur. Kathrin Oxen ist verheiratet und Mutter von vier Kindern. Christopher Spehr, geb. 1971, in Bad Oeynhausen, studierte von 1992 bis 1999 Ev. Theologie in Bethel, Tübingen und Zürich. Anschließend promovierte er zum Dr. theol. an der Universität Münster, absolvierte 2002-2005 sein Vikariat in Herne-Holsterhausen (Westfalen) und wirkte 2005-2010 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Kirchengeschichte II der Ev.-Theol. Fakultät in Münster. Nach Habilitation im Fach Kirchengeschichte 2009 und Vertretungsprofessuren in Bochum und Jena ist er seit 2011 W-3 Professor für Kirchengeschichte an der Theol. Fakultät der Friedrich-Schiller-Universitä Jena. 2012 erfolgte die Ordination durch die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.

3. Sonntag nach Ostern (Jubilate) – 08.05.2022

A

1 Mose 1,1–4a(4b-25)26–28(29–30)31a(31b); 2,1–4a

Jubel – aber nur trotzdem!

Horst Gorski

I Eröffnung: Und wenn wir scheitern?

In den 1980er Jahren war die Klimakrise schon ein gesellschaftliches Thema, obgleich sie noch nicht unmittelbar in ihren Wirkungen erfahren wurde. Theologisch wurde auf sie mit dem Motto »Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« reagiert. Zu Recht wurde dabei erkannt, dass soziale Fragen der Verteilung von Ressourcen sowie das Bemühen um ein konfliktfreies Miteinander notwendige Elemente eines ökologischen Denkens und Handelns im Weltmaßstab sein müssen. Anders sind die Wechselwirkungen zwischen der Menschheit und ihren natürlichen Lebensgrundlagen weder zu verstehen noch zum Positiven zu verändern. Schon damals erhoben sich aber auch kritische Stimmen, die das Leitbild der Bewahrung der Schöpfung als Hybris identifizierten: Mit ihm werde die Verfügungsgewalt des Menschen über die Natur zwar ins Heilvolle gewendet, jedoch ein mögliches Scheitern nicht mitgedacht. Heute stellen sich die Dinge anders dar: Intuitiv und rational gewinnt ein Zukunftsszenario an Wahrscheinlichkeit, nach dem die Verwandlung der Welt durch technologische Beschleunigung, Kapitalisierung der Erde und Dezimierung der Artenvielfalt nicht mehr aufzuhalten ist. Damit könnte sich eine Schlussfolgerung erfüllen, die der Experimentalphysiker und Essayist Georg Christoph Lichtenberg schon im 18. Jahrhundert angesichts möglicher »menschengemachter Veränderungen der Erdatmosphäre« formulierte: »So könnte die Welt untergehen.« (Detering, 166) Es geht dabei nicht um den Weltuntergang an sich, sondern präzise um die Zerstörung der Voraussetzungen, die uns als Spezies zum dominierenden Faktor des Planeten werden ließen und ohne die wir nicht leben können. Gen 1 enthält wirkmächtige Aussagen und Bilder zu den Aufgaben des Menschen in der einzigen Lebenswelt, die wir haben. Wie alle großen Texte ist er dabei in seiner Ambivalenz zu bedenken.

II Erschließung des Textes: Realistische Rede vom Menschen

Gen 1,1–2,4a eröffnet die Bibel mit dem denkbar weitesten Horizont: dem des Uranfangs, an dem alle Grundlagen unserer Lebenswelt gelegt wurden. Damit bewegen sich die priesterlichen Verfasser der frühnachexilischen Zeit auf Augenhöhe mit den Wissenskulturen ihrer altorientalischen und griechischen Umgebung. Gen 1 ähnelt v. a. weisheitlichen Texten, in denen mythisch das Woher der Weltordnung wie auch ihrer Bedrohung beschrieben und durchdacht wurde (vgl. dazu genauer Gertz, 26–79). Innerhalb der Tora ist der Beginn mit diesem Text nicht zufällig, sondern spiegelt die Einsicht der nachexilischen Schichten des Pentateuchs, wonach der Gott Israels auch der einzige Schöpfer der Gesamtwirklichkeit und mit ihr aller Völker ist. Seine Position wird dabei jenseits von Raum und Zeit verortet. JHWH handelt »im Anfang« (Gen 1,1) ganz unanschaulich und bleibt doch in dem durch ihn gewollten Kosmos wirksam. Seine Ordnungen sind durchdacht. Sie bieten Entfaltungsmöglichkeiten für alle Geschöpfe und folgen einer Struktur, die der menschliche Geist verstehen und annehmen kann und soll. Insofern ist es folgerichtig, dass sowohl in jüdischer (z. B. bei Philo von Alexandrien) wie in christlicher Perspektive (z. B. in Joh 1) Gen 1 zusammen mit der weiteren Urgeschichte zu einer fundamentalen Matrix religiöser Wirklichkeitserschließung wurde, die Glaubende seitdem zum Weiterdenken anregt.

Wenn die Perikopenordnung den Text an Jubilate vorsieht, so hat das vor allem eine doxologische Pointe: Der Lobpreis jenes Gottes, der Jesus nicht bei den Toten ließ, sondern ihn aus dem Nichtseienden ins Leben zurückgerufen hat (vgl. Röm 4,17, wohl unter Anspielung auf Gen 1,1–3), wird nach Ostern weitergeführt. Er schließt die Resonanz aller Lebewesen, besonders der Menschen, auf die Welt als Schöpfung, d. h. vor allem als lebensförderliche Umgebung, ein. Dieses Lob antwortet v. a. auf Gen 1,31: »Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte,und siehe, es war sehr gut.« Eine weitere lobende Antwort ritueller Praxis besteht nach Gen 2,1–4a in der Heilighaltung des Sabbats bzw. Sonntags als notwendiger Zäsur in der Zeit (Heschel, 11ff.).

Im priesterlichen Gesamtaufriss der Urgeschichte ist zugleich angelegt, dass die überaus positive theozentrische Weltsicht von Gen 1 im Licht einer realistischen Anthropologie der Gewalt zwischen den Lebewesen verdunkelt ist. Diese Gewalt (ḥāmās Gen 6,11.13) geht vor allem vom Menschen aus. Eine wirkmächtige Deutung hat bekanntlich das göttliche »sehr gut« (V.31) zusammen mit der Beauftragung des Menschen (V.26–28) verabsolutiert. (Gottes Urteil über sein Werk war aber niemals anders gedacht als in Bezug auf Gen 6,12: »Da sah Gott auf die Erde, und siehe, sie war verderbt.«) Indem man die intentionale Überblendung zwischen Schöpfung und Sintflut übersah, konnte Gen 1,28, der Auftr