Die Welt des Fußballs
Erste Schritte
Wir gingen damals nach meiner Ankunft in Bergneustadt zum Sozialamt, um mich anzumelden. Dort arbeitete ein aufgeräumter Mann, der Herr Köster hieß, und mich fragte, was ich denn am liebsten täte.
Meine Blicke klebten an seiner Kleidung. Er war gepflegt und die Knöpfe an den Ärmeln seines Sakkos waren aufgereiht wie Soldaten. Seine Schuhe glänzten. Er fragte nochmals, was ich am liebsten hier in Deutschland täte.
Ich war in diesem Augenblick etwas überfordert, denn man hatte mich so etwas noch nie auf Deutsch gefragt und Mama hat mir diese Frage übersetzt, da ich nichts verstanden habe.
Für mich war die Antwort schon klar: FUSSBALL, was ich auch in Togo bereits richtig gut fand und gerne spielte. Meine Mutter übersetzte meine Antwort. Und diese Antwort sorgte dafür, dass ich zunächst in einen Schulkindergarten kam, in dem ich Deutsch lernen sollte.
Die Anfangszeit war schwierig für mich, da ich der Einzige war, dessen Haut brauner war als die aller anderen. Ich verstand lange nichts und so ging es auch meinem Gegenüber, wenn ich mich artikulierte. Allgemeine Verwirrung – doch man findet immer einen Weg. Ich lernte schnell, und es wurde von Tag zu Tag besser.
Doch das Hänseln der anderen wurde leider nicht weniger. Ich wehrte mich nicht dagegen, ich erzählte es nur meiner Mutter. Über Herrn Köster wurde das Sekretariat des Schulkindergartens informiert und angewiesen, dass sie das Hänseln unterbinden sollten. Doch es änderte sich nicht, es wurde eher mehr als weniger. Ich ließ sie zunächst weiter gewähren, bis zu einem bestimmten Tag, als ich weinend und wütend nach Hause kam, weil auch die Lehrer gefühlt nicht auf meiner Seite waren. Meine Mutter wischte mir die Tränen ab und nahm mich in den Arm. Sie riet mir, dass ich mich wehren solle, wenn das wieder vorkommen würde.
Es kam erneut vor, doch nun wehrte ich mich und es klatschte. Da war das Geschrei groß. Man zitierte meine Mutter zum Sekretariat, wo man sie und mich maßregelte. Sie war außer sich und wandte sich danach an Herrn Köster, der bereits durch das Sekretariat informiert wurde und im Bilde war. Er hatte ja schon vorher mehrfach die Leitung des Schulkindergartens angewiesen, Einfluss auf die bereits häufig registrierten Diskriminierungen zu nehmen, und war auf unserer Seite. Im Kindergarten war ich nach diesen Vorgängen natürlich, wie zu erwarten, der Buhmann.
Herr Köster erzählte Familie Falkenberg von mir und man lud mich zum Training ein, als das Frühjahr anbrach und die Temperaturen stiegen. Die Familie Falkenberg war damals bereits seit Jahren stark verankert im Fußball des SSV 08 Bergneustadt. Das erste Treffen fand auf dem Spielfeld statt und war für mich äußerst spannend. Schließlich nahm mich die Familie Falkenberg unter ihre Fittiche und sie wurde neben meiner Mutter und meiner Schwester quasi zu einer zweiten Familie für mich. Anfangs brachte meine Mutter mich noch zum Fußballfeld, bald fand ich den Weg dorthin selbst. Und ich fand dort neue Freunde, viel gute Laune und einen Freund fürs Leben, der mich bis heute begleitet.
Kim Falkenberg war im selben Alter wie ich und wir verstanden uns ab der ersten Sekunde. Meine Zukunft stand plötzlich in Person vor mir. Ich war gerade sechs Jahre jung und es wäre vermessen zu behaupten, dass ich die Tragweite dessen sofort erfasste. Zunächst wurde Kim Falkenberg mir zum Freund. Heute ist er das immer noch und außerdem mein Vorgesetzter bei Bayer 04 Leverkusen. Er ist ein Freund, der mich in eine sich ständig erneuernde Zukunft begleitet. Uns verbinden viele Stunden und harte Kämpfe auf dem Spielfeld, Reflexionen und richtig gute Gespräche, die uns beide weitergebracht haben.
Familie Falkenberg hatte eine duftende Toilette, die im Winter warm war und in der stets Reserverollen Toilettenpapier in Griffweite bereit lagen. Dieses Toilettenpapier hatte immer mehrere Lagen, war so wunderbar weich und roch gut.