: Assimiou Touré
: Erst Heim, dann Heimat Mein Leben als Deutscher
: Nagel& Kimche im Carl Hanser Verlag
: 9783312012374
: 1
: CHF 15.10
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 192
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Assimou Touré erzählt hier seine Geschichte: die eines Jungen, der mit fünf Jahren aus Togo nach Deutschland kam und hier eine Heimat fand. Ein Junge, der großes Talent beim Fußball entwickelte, so dass er schließlich bei Bayer Leverkusen spielte, in der deutschen U18-Nationalmannschaft war und für Togo bei der Weltmeisterschaft 2006 auflief. Die Entscheidung, für Togo zu spielen, hat er sich nicht leicht gemacht, war doch Deutschland mittlerweile seine Heimat geworden, vor allem die Region NRW. Während des Afrika-Cups 2010 in Angola wurde ein Terroranschlag auf die Mannschaft Togos verübt. Assimiou saß mit in dem Bus, neben ihm starben zwei Mannschaftskollegen. Auch ohne dass er selbst verletzt wurde, prägte ihn dieses Erlebnis enorm. Wie es so oft im Profisport geschieht: Verletzungen machen aus der Karriere ein Auf und Ab. Assimiou fing wieder ganz unten an - in der dritten Liga. Heute arbeitet bei Bayer Leverkusen als Talentscout für Nachwuchsspieler. Scouting mit Feingefühl für Menschen ist sein Motto, denn wie er selbst weiß steht hinter jeder Leistung ein Mensch mit seiner Seele. Wie er in Deutschland heimisch wurde, wie er sich als Schwarzer Deutscher fühlt: davon erzählt Assimiou Touré offen und eindrucksvoll.

Assimou Touré, geboren 1988 in Sokodé, Togo, kam mit fünf Jahren nach Deutschland. Im Alter von zwölf Jahren spielte er zunächst bei den Junioren, ab 2006 bei den Herren bei Bayer Leverkusen. In dieser Zeit wurde er von 2007-2009 phasenweise an den VFL Osnabrück ausgeliehen. Nach 2010 spielte er bei Arminia Bielefeld, SV Babelsberg 03, KFC Uerdingen 05, Bonner SC und der SpVgg Burgbrohl. Bei der U19-Mannschaft von FC Viktoria Köln war er ein Jahr als Co-Trainer tätig. Heute arbeitet er als Talentscout für Bayer Leverkusen.

Die Welt des Fußballs

Erste Schritte

Wir gingen damals nach meiner Ankunft in Bergneustadt zum Sozialamt, um mich anzumelden. Dort arbeitete ein aufgeräumter Mann, der Herr Köster hieß, und mich fragte, was ich denn am liebsten täte.

Meine Blicke klebten an seiner Kleidung. Er war gepflegt und die Knöpfe an den Ärmeln seines Sakkos waren aufgereiht wie Soldaten. Seine Schuhe glänzten. Er fragte nochmals, was ich am liebsten hier in Deutschland täte.

Ich war in diesem Augenblick etwas überfordert, denn man hatte mich so etwas noch nie auf Deutsch gefragt und Mama hat mir diese Frage übersetzt, da ich nichts verstanden habe.

Für mich war die Antwort schon klar: FUSSBALL, was ich auch in Togo bereits richtig gut fand und gerne spielte. Meine Mutter übersetzte meine Antwort. Und diese Antwort sorgte dafür, dass ich zunächst in einen Schulkindergarten kam, in dem ich Deutsch lernen sollte.

Die Anfangszeit war schwierig für mich, da ich der Einzige war, dessen Haut brauner war als die aller anderen. Ich verstand lange nichts und so ging es auch meinem Gegenüber, wenn ich mich artikulierte. Allgemeine Verwirrung – doch man findet immer einen Weg. Ich lernte schnell, und es wurde von Tag zu Tag besser.

Doch das Hänseln der anderen wurde leider nicht weniger. Ich wehrte mich nicht dagegen, ich erzählte es nur meiner Mutter. Über Herrn Köster wurde das Sekretariat des Schulkindergartens informiert und angewiesen, dass sie das Hänseln unterbinden sollten. Doch es änderte sich nicht, es wurde eher mehr als weniger. Ich ließ sie zunächst weiter gewähren, bis zu einem bestimmten Tag, als ich weinend und wütend nach Hause kam, weil auch die Lehrer gefühlt nicht auf meiner Seite waren. Meine Mutter wischte mir die Tränen ab und nahm mich in den Arm. Sie riet mir, dass ich mich wehren solle, wenn das wieder vorkommen würde.

Es kam erneut vor, doch nun wehrte ich mich und es klatschte. Da war das Geschrei groß. Man zitierte meine Mutter zum Sekretariat, wo man sie und mich maßregelte. Sie war außer sich und wandte sich danach an Herrn Köster, der bereits durch das Sekretariat informiert wurde und im Bilde war. Er hatte ja schon vorher mehrfach die Leitung des Schulkindergartens angewiesen, Einfluss auf die bereits häufig registrierten Diskriminierungen zu nehmen, und war auf unserer Seite. Im Kindergarten war ich nach diesen Vorgängen natürlich, wie zu erwarten, der Buhmann.


Herr Köster erzählte Familie Falkenberg von mir und man lud mich zum Training ein, als das Frühjahr anbrach und die Temperaturen stiegen. Die Familie Falkenberg war damals bereits seit Jahren stark verankert im Fußball des SSV 08 Bergneustadt. Das erste Treffen fand auf dem Spielfeld statt und war für mich äußerst spannend. Schließlich nahm mich die Familie Falkenberg unter ihre Fittiche und sie wurde neben meiner Mutter und meiner Schwester quasi zu einer zweiten Familie für mich. Anfangs brachte meine Mutter mich noch zum Fußballfeld, bald fand ich den Weg dorthin selbst. Und ich fand dort neue Freunde, viel gute Laune und einen Freund fürs Leben, der mich bis heute begleitet.

Kim Falkenberg war im selben Alter wie ich und wir verstanden uns ab der ersten Sekunde. Meine Zukunft stand plötzlich in Person vor mir. Ich war gerade sechs Jahre jung und es wäre vermessen zu behaupten, dass ich die Tragweite dessen sofort erfasste. Zunächst wurde Kim Falkenberg mir zum Freund. Heute ist er das immer noch und außerdem mein Vorgesetzter bei Bayer 04 Leverkusen. Er ist ein Freund, der mich in eine sich ständig erneuernde Zukunft begleitet. Uns verbinden viele Stunden und harte Kämpfe auf dem Spielfeld, Reflexionen und richtig gute Gespräche, die uns beide weitergebracht haben.

Familie Falkenberg hatte eine duftende Toilette, die im Winter warm war und in der stets Reserverollen Toilettenpapier in Griffweite bereit lagen. Dieses Toilettenpapier hatte immer mehrere Lagen, war so wunderbar weich und roch gut.