EINS
Freitag, 24. September, früher Abend
Es war bereits kurz nach sieben, als Jean Paul Rapp bei Burnhaupt-le-Bas, auf halber Strecke zwischen Belfort und Mulhouse, auf die Route nationale abbog. Nach knapp siebenstündiger Fahrt von Paris lagen nun nur noch gut zwanzig Kilometer bis Pfaffenhoffen vor ihm.
»Bald zu Hause, Honoré«, versprach er mit einem Blick in den Rückspiegel seinem Hund, der zusammengekringelt wie eine Lyoner Wurst auf dem Rücksitz des Wagens lag und als Antwort nur müde eine Augenbraue anhob. Hund und Auto waren beide nicht mehr die Jüngsten. Rapp hatte den Eindruck, dass Honoré, sein inzwischen fünfzehn Jahre alter schwarz-weiß-braun gefleckter Terrier-Rüde, und sein 2CV, eine rot-schwarz lackierte Charleston-Ente, die Ruhepausen an den Aires de service, den Raststätten der Autobahn, die er während der Fahrt eingelegt hatte, beide gleichermaßen gebraucht hatten. So wie er selbst.
Er konzentrierte sich wieder auf den Verkehr. Nicht, weil um diese Uhrzeit noch viele Fahrzeuge unterwegs gewesen wären, das Gegenteil war der Fall. Sondern weil er nachtblind war, und die Dämmerung hatte längst eingesetzt. Die Route nationale schlängelte sich als graues Band entlang der Weinhänge im Westen, deren Übergang zu den bewaldeten, kühleren Zonen in den höheren Lagen er kaum noch erkennen konnte. Am Himmel flimmerte ein weiches, diffuses Abendlicht, reflektiert von einer matt leuchtenden Wolkendecke über der flachen, fruchtbaren Landschaft des Rheintals. Weiter hinten im Osten streckten die Spitzen des Schwarzwalds ihre Häupter, als wollten sie noch die letzten Sonnenstrahlen trinken, ehe sich die Nachtschwärze auf sie herabsenkte.
Rapps Gedanken wanderten zurück zu seinem Aufenthalt in Paris bei seinem Sohn Edgar und dessen Mann Julien, und vor allem zu Maëlle, seiner kleinen, knapp einjährigen Enkelin. Ihm ging buchstäblich das Herz auf, wenn er an sie dachte.
Edgar und Julien führten schon seit einigen Jahren sehr erfolgreich ein Restaurant, das Petite Cigogne in der Rue de la Bourgeoisie, ganz in der Nähe der Place Jean Gabin am Montmartre. Und vor einem Jahr etwa waren sie Väter geworden. Rapp hatte inzwischen auch Maëlles leibliche Mutter kennengelernt, Maélys. Sie hatte zwar den Wunsch nach einem Kind gehabt, doch als Restaurant- und Hoteltesterin für den Guide Michelin musste sie ständig unterwegs sein; ein Baby zu versorgen, schien ihr daher unmöglich. Julien und Edgar hatten das Mädchen adoptiert. Einer von beiden, Julien oder Edgar, war auch der biologische Vater, schwer zu sagen, wer, denn die kleine Maëlle glich irgendwie beiden, fand Rapp. Wie ihre Mutter und wie ihre beiden Väter hatte sie brünette Haare und nussbraune Augen. »Und wie ihre beiden Väter hat sie wunderschöne O-Beine«, hatte Rapp gescherzt. Was man inzwischen auch beim Laufen bewundern konnte. Die Kleine hatte kürzlich die ersten eigenen Schritte gewagt.
Rapp hatte die knappe Woche genossen, die er mit Edgar, Julien und Maëlle in Paris hatte verbringen dürfen. Er war erstaunt und erleichtert, wie wunderbar die beiden Männ