: Marcel Huwyler
: Das goldene Taschenmesser Ein Fall für Eliza Roth-Schild
: Atlantis Literatur
: 9783715275086
: 1
: CHF 12.50
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das luxuriöse Dasein von Unternehmergattin Eliza Roth, geborene Schild, ist jäh zu Ende, als ihr Mann bankrottgeht und sich beim versuchten Versicherungsbetrug in die Luft sprengt. Die Lebedame steht vor dem Nichts: Die Bankkonten tiefrot, die Villa weg, von der geldadligen Society fallen gelassen, und die Gläubiger ihres Mannes sind auch nicht gerade zimperlich. Da kommt ihr das Angebot eines mysteriösen Impresarios aus der Hochfinanz gerade recht. Eliza soll dessen Konkurrenz aushorchen. Als ehemalige Stewardess der Swissair weiß sie schließlich, wie man hochfliegende Manager mit Souplesse domptiert. Ihr Einsatz als Agentin bringt sie auf eine Geschäftsidee: Wirtschaftsspionage - aber mit Stil und Style. Und dank ihres nach Macht und Reichtum klingenden Namens »Roth-Schild« angelt sie sich exklusive Kundschaft. Und auch in ihrem Privatleben geht es furios zu und her. Da ist der junge Filou Fabio, der für seinen Paten ein Jagdschloss hütet und Eliza bei sich wohnen lässt. Als Kulissenschreiner am Stadttheater ist er ein Könner im Erschaffen von Illusionen, was er bei seinem Nebenverdienst - dem Fälschen von Antiquitäten - unverfroren ausnutzt. Und schließlich wird Eliza auch noch von dubiosen Gestalten bedroht, die hinter einem sagenumwobenen Sammlerstück ihres verstorbenen Gatten her sind. Das begehrenswerte Relikt befand sich einst an Bord der Titanic ...

Marcel Huwyler ist mit seinen Krimis um Frau Morgenstern, von denen zahlreiche Fälle erschienen sind, bekannt geworden. 1968 im Schweizer Dorf Merenschwand geboren, schrieb er schon als Kind Kasperlitheater und tischte seinen Eltern die unglaublichsten Geschichten auf (»Verzell doch kei Gschichte. Und mach nid sones Theater!«). Nach sieben Jahren als Primarlehrer wechselte Marcel Huwyler in den Journalismus. Fast 25 Jahre lang schrieb er für Magazine Geschichten über seine Heimat und Reportagen aus aller Welt - ihn fasziniert Alltägliches, hinter dem sich Sagenhaftes verbirgt, am liebsten entdeckt und beschreibt er ganz normale ungewöhnliche Menschen. Heute lebt Marcel Huwyler in der Zentralschweiz, wo er liest, schreibt, kocht und Klavier spielt.

3


Mit Gitti von Fellenberg saß Eliza im Vorstand des städtischen Wohltätigkeitsclubs. Die beiden Damen hatten einen ähnlichen Jahrgang, den gleichen Golflehrer, waren beide kinderlos geblieben und verstanden sich so gut, dass sie sich einmal im Monat im Caligula verabredeten. Zu einem After-Work-Drink, wenngleich keine von ihnen einer Arbeit im herkömmlichen Sinn nachging. Es gab wohl gleich gestrickte Interessen und gesellschaftspolitische Ansichten ähnlichen Couleurs, zu einer aufrichtig herzlichen Frauenfreundschaft hatte es indes nie gereicht. Sie fanden einander nett und fühlten sich auf unverbindliche Weise miteinander verbunden.

Nichtsdestoweniger hatte Eliza in ihrer Not als Erstes an Gitti gedacht und sie angerufen. Zwar kannte Eliza eine Menge Menschen – Small-Talk-Kolleginnen, Golfplatz-, Pilateskurs- und Society-Kontakte oder Pausebekanntschaften aus Theater und Oper –, aberdie beste Freundin gab es nicht. Immerhin war Gitti von all ihren oberflächlichen Bekanntschaften diejenige, die die meiste Tiefe besaß.

»Oh, ma chère, was für ein Unglück. Etwas Derartiges wünscht man seinem ärgsten Feind nicht. Du siehst nudelfertig aus.« Eine tief bewegte Gitti umarmte sie, tätschelte ihr die Schulterblätter und zog sie am Arm ins Haus. Der Taxifahrer lief dreimal zum Wagen zurück, bis Elizas gesamte Bagage im Entree stand. Sie entließ ihn mit einem Extrafünfziger.

Die großzügige Fensterfront im Wohnzimmer ging nach Westen hin und bot eine uneingeschränkte Aussicht auf Stadt, Alpen und See. Triple-A-Lage, wie Hardy hierzu sagen würde. Gut möglich, dachte Eliza, dass sie sich hier oben am Stadtberg, dem bevorzugten Viertel der Upperclass, eine Domain suchen würden. Kein schlechter Ort, um neu anzufangen. Die Dämmerung hatte eben eingesetzt, das Rubinorange des Himmels konkurrierte mit dem eigenen Spiegelbild auf der Seeoberfläche. Nein, definitiv kein schlechter Ort.

Mit einer theatralischen Geste wies Gitti ihr einen Platz auf der Sofalandschaft zu, die für Elizas Geschmack eine unmögliche Kuhfladenfarbe aufwies, und auf der es sich auch genauso warm und weich saß. Von irgendwoher erklang leise Proseccojazz, eine Duftkerze im goldenen Glas brannte. Und an der Wand gegenüber hing doch tatsächlich ein Rolf Knie.

»Tee, Kaffee, Wein?«, fragte Gitti, um ihr Angebot in der gleichen Sekunde zurückzuziehen. Umstände und Uhrzeit, fand sie, verlangten nach weitaus Stärkerem.

Nach dem ersten Schluck von ihrem doppelten Gin Tonic mit Gurke und rotem Kampotpfeffer begann Eliza von ihrem Martyrium zu berichten. Schilderte als Erstes die schockierend unsensible Art der Benachrichtigung, ihre überhastete Abreise im Gneiserhof – »darum meine mäßig salonfähige Aufmachung, entschuldige bitte« –, das Chaos auf dem Grundstück, die totale Zerstörung der Villa Buchenberg und die erbarmungslose Befragung durch die Polizei. Erst beim Erwähnen von Hardys Verschwinden versagte ihr die Stimme.

»Und du hast keine Ahnung – Eliza, ganzentre nous –, wo er sich aufhalten könnte?«

Eliza schüttelte so energisch den Kopf, dass die Eiswürfel in ihrem Kristallglas klirrten.

Gitti war taktvoll genug, keine Liste möglicher Gründe für das plötzliche Verschwinden von Ehemännern durchzugehen. Und Eliza ihrerseits schwieg über die Andeutungen der Polizei hinsichtlich Hardys Psyche und dem Mysterium, dass beide Wagen verbrannt waren. Mit solch intimen Interna ging man nicht hausieren. Gitti besaß einen zu großen Freundinnenkreis.

»Und es ist wirklich alles … verbrannt? Du besitzt nichts mehr?«

»Nur noch, was in den Koffern ist. Für die ersten Tage wird das reichen müssen.«

»Ich leihe dir gern etwas von meiner Garderobe.«

»So lieb von dir.« Im Geiste verdrehte Eliza die Augen. Da Selbstironie nicht zu Gittis Stärken gehörte, meinte sie das mit den Kleidern wohl ernst. Sie lief Marathon, aß wie ein Spatz und hatte die Figur einer Bronzeplastik von Giacometti. Elizas Kurven benötigten mindestens drei Kleidernummern größer.

»Ich hoffe, es ist für deinen Mann in Ordnung, wenn ich hier übernachte.«

»Marc kommt immer spät nach Hause. Er ist über deinen Besuch info