This could be the last time,
maybe the last time,
I don’t know,
oh no,
oh no.
»The Last Time«,1965
Throwback1982: Die Rolling Stones werden zwanzig. Sie sind auf Deutschland-Tournee – und ich bin nicht dabei. Wie sehr habe ich mich danach gesehnt, eines ihrer Konzerte in Köln zu sehen. »But what can a poor boy do?« Die Tickets sind einfach zu teuer. Ich bin achtzehn, gehe in die zwölfte Jahrgangsstufe des Städtischen Gymnasiums in Gütersloh, einer nicht ganz so kleinen Kleinstadt in Ostwestfalen. Köln liegt nur zweieinhalb Stunden mit dem Auto entfernt, aber am4. und5. Juli, wenn die Stones dort spielen, ist es für mich unerreichbar. Ich habe eine Menge Stones-Alben in meinem Zimmer:Let It Bleed, Black and Blue, Some Girls, die Greatest-Hits-Doppel-LPRolled Gold, Emotional Rescue. Aber live gesehen habe ich die Band noch nie. Wie auch? Zuletzt haben sie1976 in Deutschland gespielt, da war ich zwölf. Meine große, meine sehr große Befürchtung ist jetzt, dass ich die Rolling Stones nie mehr live sehen werde. Die Band ist schließlich unfassbare zwanzig Jahre alt – im jugendfixierten Musikgeschäft eine halbe Ewigkeit.
Mick Jagger, Keith Richards und ihre Kollegen sind zu dem Zeitpunkt erst um die vierzig und gelten dennoch als Rockopas. Ihre Tour bricht weltweit Zuschauerrekorde, aber die Medien sind dennoch überzeugt, es sei ihre letzte. Das Orakel vom Ende der Stones ist schon damals nicht besonders originell, wird es doch seit Jahren gebetsmühlenartig wiederholt, woran die Band selbst allerdings nicht ganz unschuldig ist.1975 sagte Mick Jagger, damals zweiunddreißig, er wäre lieber tot, als mit fünfundvierzig noch »Satisfaction« zu singen.1982 ist er zwar erst achtunddreißig, aber ich bin alarmiert, denn all das klingt auch für mich verdammt nach Abschluss.
An einem Morgen im Juli ’82 stehe ich mit ein paar Freunden auf dem Schulhof. Noch heute sehe ich deutlich vor mir, wie drei unserer Lehrer sehr beschwingt auf uns zugehen. Gerd Appelmann, Englisch, Rudolf Bülter, Geschichte, und Siegfried Bethlehem, Englisch und Geschichte. Sie sind alle Mitte dreißig und erst vor Kurzem an die Schule gekommen. Sie tragen Jeans, T-Shirts und Karohemden, haben längere Haare (Siegfried Bethlehem trägt seine fast schulterlang) und sehen nicht großartig anders aus als wir Schüler. Als »Überbleibsel derAPO« werden wir sie später liebevoll-ironisch in der Abizeitung würdigen. Stones-Fans sind die drei auch. Klar, dass sie vor wenigen Tagen bei dem Konzert in Köln dabei waren. Und genau davon erzählen sie uns jetzt. In allen Details. Überragend sei es gewesen, schwärmen sie unisono und dämpfen die Euphorie sogleich, vielleicht, um dann doch ein bisschen kritische Distanz ihren Schülern gegenüber zu wahren: Natürlich habe man Mick Jagger und Keith Richards nur als Strichmännchen auf der riesigen Bühne sehen können. Dafür sei es ordentlich laut gewesen. Wir hängen an ihren Lippen, wollen mehr wissen. Mit welchem Song haben sie angefangen? – »Under My Thumb«. Was haben sie als Zugabe gespielt? – »Satisfaction«. Dann ist die Pause vorbei, wir müssen zurück in den Unterricht.
Dass es mich damals so außerordentlich fuchste, es nicht zum Stones-Konzert nach Köln geschafft zu haben, lag nicht etwa an einer übertriebenen Liebe zu Retroklängen. Als Teenager hörte ich reihenweise andere aktuelle Rock-, Pop- und Jazzrockmusik, ziemlich querbeet: Weather Report,AC/DC, The Police, The Clash, Dire Straits, und ja, ab und zu auch ein bisschen Neue Deutsche Welle. Im Vergleich dazu s