1. KAPITEL
Das Sonnenlicht lässt den Hof des Palastes blass schimmern. Die Birken rings um den Hof werfen Schatten, als würde ein Gitter auf dem Boden liegen. Und auf dem Mann, der gerade in meine Richtung schreitet.
Seit Tagen bin ich für diese Begegnung – für ihn – gewappnet. Auf meinen Wunsch hin ist der Sicherheitsbericht über den spanischen Tycoon umfangreich und detailliert ausgefallen. Er hat meine eigene Recherche bestätigt. Dieser Mann lebt intensiv und draufgängerisch, mit wenig Sorge um seinen Ruf, seine Gesundheit oder, soweit ich es beurteilen kann, irgendeinen Menschen in seinem Dunstkreis. Santiago del Almodovár ist die Art Mann, die ich nicht ausstehen kann.
Da er fast zwei Meter groß ist, kommt er mit langen Schritten rasch näher. Er schaut mich mit hellbraunen Augen an. Fast goldfarben sind sie, wie die eines Wolfes. Sein Blick ist rätselhaft und eindringlich, als würde er mich durchschauen.
Ich setze ein frostiges, eindeutig warnendes Lächeln auf. Er trägt einen Anzug – mehr oder weniger. Marineblaue Hose, weißes, am Hals offenes Hemd, Jackett. Keine Krawatte. Ein bemerkenswert lässiges Outfit für einen Gast in Sölla Palace, aber dank des Sicherheitsberichts weiß ich ja, dass Santiago wenig von Konventionen hält. Ob er absichtlich so auftritt? Um seine Gesprächspartner aus dem Konzept zu bringen und sich dadurch einen kleinen Verhandlungsvorteil zu verschaffen?
Vergeblich warte ich auf die Verbeugung, die meinem Rang gebührt. Er stoppt knapp sechzig Zentimeter vor mir und lächelt so spöttisch, dass Schmetterlinge in meinem Bauch aufschwärmen. Als er mir forschend in die Augen sieht, bekomme ich aus heiterem Himmel eine Gänsehaut. Ich verdränge sie genauso wie den Verstoß gegen das Protokoll und strecke meine rechte Hand aus. „Danke, dass Sie gekommen sind, Mr. del Almodovár.“
„Prinzessin …“
Seine Stimme ist rau und warm und erinnert mich an das sonnige Barcelona, in dem er aufgewachsen ist. Er hat einen Akzent. Schon wieder kündigt sich eine Gänsehaut an, doch bevor sie sich richtig einstellen kann, durchzuckt mich etwas wie ein Blitz. Der Besucher schließt nämlich seine deutlich größere Hand um meine, selbstbewusst und fest. Ich fühle mich, als würde seine Berührung tausend Volt von meinen Fingerspitzen in meinem Arm und von dort in jeden Winkel meines Körpers jagen. Es kostet mich jedes Fitzelchen Selbstbeherrschung, das ich besitze, um meine Reaktion zu verbergen. So rasch ich kann, lasse ich meine Hand an die Seite sinken.
„Bitte.“ Ich deute auf die Treppe und schlucke, weil ich heiser und angestrengt klinge. Innerlich ächze ich. Wenn mir schon plötzlich der Sex-Appeal eines Mannes auffallen muss, wieso dann ausgerechnet jetzt, bei Santiago del Almodovár? Ich bin vierundzwanzig und habe noch nie einen Mann geküsst. Für das einzige überlebende Mitglied der Königsfamilie von Marlsdoven ist ein Date nicht einfach zu bewerkste