1. KAPITEL
Im Hafen von Porto Cervo lagen die Jachten aufgereiht wie kostbare Diamanten an einer Kette. Vor der Kulisse flacher Berge blitzten Chrom und Lack in der Sonne. Dazwischen glitzerte das glasklare türkisgrüne Meer, dem Sardiniens Costa Smeralda ihren Namen verdankte.
Keyla Shepard lief mit wehendem Haar die Promenade von Porto Cervo entlang und fühlte sich zum ersten Mal seit Wochen leicht und unbeschwert. Sie konnte nicht sagen, was sie am meisten genoss: die begehrlichen Blicke der Männer, die sich auf sie hefteten, das Panorama oder das berauschende Gefühl, in diesem Ort der Schönen und Reichen zu leben.
Als sie über das Wasser blickte, zog eine besonders schnittige dunkelblaue Motorjacht ihre Aufmerksamkeit auf sich. Die hatte am Vortag noch nicht dort gelegen. Wer wohl der Besitzer war? Ein Filmstar, ein Scheich oder ein Industrieller?
Sie war so in den Anblick vertieft, dass sie beim Weiterlaufen gegen einen Tisch vor einem Café stieß und aufschrie.
„Vorsicht, Keyla“, hörte sie eine amüsierte Frauenstimme. „Lass meine Möbel stehen.“
„Buon giorno, Chiara“, sagte sie verlegen zur Cafébesitzerin, die sie anlächelte. „Entschuldige. Ich konnte die Augen nicht von dieser Jacht lassen, die ist einfach prachtvoll. Die lag gestern Abend noch nicht hier, oder?“
„Nein, erst seit heute Morgen“, bestätigte Chiara und wischte den Tisch mit einem feuchten Lappen ab. „Die muss einem dieser Filmleute gehören.“
„Was für Filmleute?“
„An der Costa Smeralda wird ein Film gedreht. Das Team wird heute eintreffen und in einem der Hotels hier in Porto Cervo wohnen, erzählt man. Die Jacht gehört bestimmt dem Produzenten oder dem Regisseur oder einem der Stars.“
„Ach so.“ Keyla warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Entschuldige mich, ich muss das Geschäft öffnen, Jane kommt heute etwas später.“
„Bestell ihr schöne Grüße, ich schaue in den nächsten Tagen mal vorbei, wenn die neuen Kleider aus Mailand eingetroffen sind.“
„Sage ich ihr.“
Keyla setzte ihren Weg fort bis zum nahe gelegenen kleinen Einkaufszentrum, in dem sich die Boutique ihrer Cousine Jane Forlani befand.
Als Jane von ihrem Dilemma hörte, bot sie ihr spontan an, sie für den Rest der Saison als Verkäuferin einzustellen und bei ihr zu wohnen. Janes italienischer Ehemann hatte in den nächsten Monaten die meiste Zeit beruflich auf dem Festland zu tun, und so gab es Platz für sie, und Jane freute sich über Gesellschaft.
Nachdem Keyla die Boutique betreten hatte, musste sie sich erst mal umziehen. Jane legte Wert auf ein elegantes Outfit und lieh ihr bereitwillig Kleider aus der letzten Saison, die sie nicht hatte verkaufen können, denn die Garderobe, die Keyla nach Sardinien mitgebracht hatte, war eher sportlich.
Keyla fühlte sich stets ein wenig verkleidet in den zarten Kreationen aus fließenden Stoffen, aber das Bild, das der Spiegel zurückwarf, gefiel ihr. Hochgewachsen und schlank, wie sie war, wirkte sie in dem figurumschmeichelnden Seidenkleid nicht so schlaksig wie in ihren geliebten Jeans mit T-Shirt. Und auch die leuchtenden Farben standen ihr. Schon nach einer Woche an der Costa Smeralda gewann sie allmählich ihre Fröhlichkeit zurück, und ihre grünbraunen Augen strahlten zum ersten Mal seit Monaten wieder.
Das melodiöse Klingeln der sich öffnenden Tür kündigte die ersten Kunden an und riss sie aus der Betrachtung ihres Spiegelbilds. Eine Frauenstimme schnatterte auf Italienisch in einem Tempo, in dem Keyla kaum etwas verstand. Ihr Italienisch war alles andere als fließend, doch zum Glück sprachen in diesem mondänen Ferienort fast alle Gäste gut Englisch. Sie eilte in den Verkaufsraum, in dem eine blondierte Frau in den Dreißigern mit energischen Bewegungen die Bügel verschob, auf denen die Kleider hingen. Ein lässig gekleideter dunkelhaariger Mann stand ein wenig gelangweilt daneben.
„Buon giorno – kann ich Ihnen helfen?“, fragte Keyla und setzte ein gewinnendes Lächeln auf.
„Ich sehe mich erst mal um“, wies die Blonde sie in kühlem Ton ab, ohne