2. KAPITEL
Zwei Tage später.
Das Büro des Mannes, mit dem Edie über ihr Anliegen sprechen wollte, befand sich laut ihrer Internetrecherche im westlichen Teil von Dalt Vila, der von trutzigen Mauern umgebenen Altstadt von Ibiza-Stadt.
Hier, wo die Mieten zurzeit noch einigermaßen bezahlbar waren, herrschte oftmals das Flair von spanischem Dorfleben: Wäsche flatterte an Leinen, die zwischen den Häusern gespannt waren, Kinder tobten lärmend in den schmalen Gassen, während ältere Männer im Schatten beieinandersaßen und Schach spielten. Aus den weit geöffneten Fenstern drangen die Geräusche des Lebens: Stimmen, Gelächter, Musik.
Edie fand es bedauerlich, dass Dalt Vila sich mehr und mehr zu einem Pflaster für die besser Betuchten entwickelte, doch so war nun einmal der Lauf der Dinge. Und es gab nun wirklich Wichtigeres, um das sie sich kümmern musste. Seit dem Abend im Club hatte sie immer wieder über die Worte ihrer Freundin nachgedacht. Und war zu dem Schluss gekommen, dass sie wirklich versuchen sollte, ein paar Dinge richtigzustellen. Genau deshalb befand sie sich nun auf dem Weg zu einem Reporter, von dem sie sich erhoffte, dass er ihr helfen konnte.
Einen Versuch war es jedenfalls wert. Im besten Fall würde dieser Reporter ihre Seite der Geschichte an die Öffentlichkeit bringen, und ihr Leben würde sich wieder normalisieren. Im schlimmsten Fall passierte einfach überhaupt nichts.
Sie hatte nichts zu verlieren.
Als sie vor einem Jahr nach Ibiza kam, war sie noch voller Hoffnungen und Träume gewesen. Auf dem Papier waren ihre und Hunters Pläne für das Café gut gewesen, in der Realität aber …
Seufzend fuhr sie sich mit einer Hand durchs Haar. Es gab noch einen zweiten Grund, warum ihr der Abend mit Lilly in Erinnerung geblieben war. Am nächsten Morgen hatte sie nämlich feststellen müssen, dass sich ihr Verlobungsring nicht mehr im Kleingeldfach ihrer Geldbörse befand. Zunächst hatte sie an einen Diebstahl gedacht. Doch dann war ihr langsam klar geworden, dass sie vermutlich selbst für den Verlust des Rings verantwortlich war.
Sie musste ihn zusammen mit den Münzen in den Becher des Obdachlosen geworfen haben.
Typisch …
Seit sie nach Ibiza gekommen war, schien ihre Pechsträhne einfach nicht mehr abzureißen. Alles, was sie anfasste, ging schief. Heute stand sie allein mit einem gerade einmal halbfertigen Café da, alle Welt hielt sie für ein hirnloses Modepüppchen, und nicht zuletzt hatte sie zwei Nebenjobs annehmen müssen, um selbst über die Runden zu kommen und darüber hinaus noch das Material für die restliche Renovierung bezahlen zu können. Manchmal fragte sie sich, warum sie sich nicht dazu durchringen konnte, den einfachen Weg einzuschlagen. Den Weg, den ihr die Anwälte des Hotelmagnaten Malcolm Jackson aufgezeigt hatten …
Eigentlich sollte sie froh sein, dass er ihr einen Ausweg aus ihrer Misere bot. Dennoch – unverrichteter Dinge nach Hause zurückkehren konnte sie auf keinen Fall. Ihre Eltern hatten ihr mehr als deutlich zu verstehen gegeben, wie sehr sie ihr Verhalten missbilligten. Die Genugtuung, auf ganzer Linie versagt zu haben, wollte sie ihnen nicht bieten. Auf gar keinen Fall!
Edie erreichte das Haus, in dem der Reporter ihren Recherchen zufolge arbeitete. Es handelte sich um eines der typischen alten Gebäude von Dalt Vila, mit einer wuchtigen, mit Schnitzereien versehenen Holztür und mehreren, von schmiedeeisernen Balustraden umgebenen Balkonen. Es war