Prolog
SCHOTTLAND, 1078
Die Fackeln flackerten, als die Wachen die massiven Eichentore weit öffneten, um die heimkehrenden Soldaten einzulassen. Unter eisigen Windstößen strömten die Krieger in den Saal, die Kleider schmutzig und zerrissen, Hoffnungslosigkeit in den Mienen. Wie verlorene Seelen, unsicher und voller Unbehagen, schlichen sie in dem Raum umher. Die Schatten des geschlagenen Heeres taumelten an den Wänden und lauerten wie aufgescheuchte und erzürnte Ahnengeister.
Hinter sich hörte Alec Campbell seine Stiefmutter und seine kleine Schwester weinen, doch er wandte sich nicht zu ihnen um. Statt dessen betrachtete er die feierliche Prozession, in der die verstümmelte, blutige Leiche seines Erzeugers, Laird Ian Campbell, hereingetragen wurde.
Alec trat hastig vor und sprang im Geiste den Kriegern bei, als der leblose Körper des einstmals so stolzen Führers zur Seite rutschte. Behutsam, ehrfürchtig wurde der Tote vor ihm auf den großen Tisch gebettet. Der stellvertretende Kommandeur des Lairds, Andrew, trat vor und legte dem gefallenen Führer feierlich das Schwert der Campbells auf die Brust. Die Schneide blutig, dunkelrot gefärbt wie der Rubin im Heft des Schwertes. Obwohl noch nicht einmal acht Jahre alt, ergriff Alec die Waffe seines Vaters.
Der frostige Winterhauch durchwehte den Saal, kroch unter warme Schals und drang durch wollene Decken. Alle spürten die Kälte, nur einer nicht. Schweiß trat Alec auf die Stirn, als er das schwere Schwert seines Vaters von der kalten, starren Leiche zog und die Waffe aufrecht vor sich stellte. Er lehnte den Kopf an den kalten Stahl und schloß die Augen. Das Stimmengesumm des trauernden Clans verstummte, als Visionen durch das Bewußtsein des Jungen zogen. Ungebeten kamen Bilder aus der Vergangenheit: das wohlwollende Lächeln des Vaters angesichts einer guten Leistung, der Klang seines Lachens – ein volltönendes Dröhnen der Freude und des Überschwangs; die tröstenden Arme seines Erzeugers, wenn kindlicher Schmerz oder Ängste drohten – Erinnerungen, so peinvoll süß, daß ihm die Brust eng wurde.
Dann verblaßten die Bilder – und die plötzliche Leere war verheerender als die Erinnerung selbst. Der Vater war tot! Alles, was übrig war von dem Mann; dem er nacheiferte und den er anbetete, war dieser tote, verstümmelte Körper.
Alec hob den Blick zum Himmel und sprach ein stilles Gebet für seinen Vater. Langsam, obwohl sein Arm vor Anstrengung zitterte, hob er die Waffe hoch.
»Beim Schwert meines Vaters, bei seinem Blut schwöre ich, Alec Campbell, den Mord zu rächen.«
Stille legte sich über den Saal, und alle Augen, ob jung oder alt, leuchteten voller Respekt. Der Ehrenbezeigung nicht gewärtig, senkte Alec das Schwert und drückte die Lippen auf den blutroten Rubin im Heft. Der Kuß war eine Bitte um den ewigen Frieden für die Seele des Vaters und die Besiegelung seines Racheschwurs. Die Soldaten, einer nach dem anderen, knieten mit ernsten Gesichtern vor dem Jungen nieder.
Alec Campbell war noch kein Mann, aber auch kein Kind mehr. Er war der neue Laird.
Der Rittersaal des Schlosses der Mactavish hallte wider von Triumphgeschrei. Von einem erfolgreichen Vorstoß gegen den Rivalen zurückgekehrt, jubelten die Krieger siegestrunken. Das Bier floß in Strömen zur Feier des Tages. Der Laird der Campbells war nicht nur besiegt, sondern tot. Das ausgelassene Gelage würde bis in die frühen Morgenstunden andauern, bis niemand mehr in der Lage war, von dem Mut, der Tapferkeit, der Geschicklichkeit und dem Sieg zu berichten. Eine ältere Frau mit grauen Locken, die ein von mehr als nur dem Alter faltiges und gefurchtes Gesicht umgaben, stieg die innere Treppe hinunter. Sie redete leise vor. sich hin, während sie sich durch die Masse der ausgelassenen Männer drängte. Verschüttetes Bier befleckte die grobe Wolle ihres Gewandes. Sie hatte für den Schuldigen lediglich einen verächtlichen Blick übrig, bevor sie weiterging.
»Es ist Sünde zu feiern, während Tod und Sterben so nahe sind.« Sie äußerte ihre Gedanken laut, während sie auf den Führer zustrebte.
»My Laird, Eure Dame fragt nach Euch«, sagte sie ein wenig atemlos nach der Anstrengung.
Die Hebamme stand vor Angus Mactavish, dem Clanführer. Sein Haar war noch wild und zerzaust vom Schlachtengetümmel. Sei