AM SYDOWER GRABEN erreichten sie die Stadtgrenze, der Bürgersteig verendete in einem Haufen Schnee. Auf dem Ortsschild war der Name der Stadt durchgestrichen, darüber stand nichts. Kein Ort in den nächsten Kilometern, nirgends. Lee bog aufs Feld ab, die Luft roch verbrannt. Er leerte seine Flasche, warf sie auf den toten Acker, stolperte weiter, zog das Kind über die verharschten Schneewehen. Nach einigen Kilometern wagte er sich zurück auf die Landstraße, näherte sich der Lichtinsel einer Tankstelle. Er bedeutete dem Kind, an den Zapfsäulen zu warten, und betrat den grellen Verkaufsraum.
– Gibt’s Milch?
– Machste dich über mich lustig?
– Wo’s Milch gibt?
– Und was willste mit Milch, mitten in der Nacht?
Der Mann zeigte aufs Kühlregal. Lee nahm den letzten, vorrätigen Milchkarton, zahlte, barg draußen das Kind in seinem Arm. Gemeinsam stemmten sie sich gegen den Wind, machten wieder Strecke auf der verwaisten Landstraße, nach Osten, natürlich wieder nach Osten. Nach einer Zeit im Wind und im Schnee und in der Dunkelheit erreichten sie endlich den Deich.
Die Sydow war zugefroren in diesem Jahr, die Grate der aufgeworfenen Schollen mit Schnee überzogen, ein Eisfall voller Winkel und Kanten und Zacken. In der Flussmitte dampfte ein Eisbrecher, schob zwei Lichtkegel vor sich durch die Nacht, das Brechen der Schollen klang hart herüber. Eine Böe trieb dem Kind erneut