The wind blows low, the wind blows high
The snow comes falling from the sky,
Rachel Cameron says she’ll die
For the want of the golden city.
She is handsome, she is pretty,
She is the queen of the golden city.
Natürlich skandieren sie nicht meinen Namen. Es hört sich nur so an, hier am Klassenzimmerfenster, wo ich stehe und ihnen zusehe, denn ich erinnere mich, wie ich selbst zu diesem Lied Seil gesprungen bin, als ich ungefähr so alt war wie die kleinen Mädchen da draußen. Vor siebenundzwanzig Jahren, was unmöglich scheint, als ich selbst sieben war, aber es ist dasselbe braune Ziegelgebäude, nur mit einem neuen Flügel und renoviert. Es hätte mich damals bestimmt überrascht, hätte ich gewusst, dass ich mal hier enden würde, in diesem kleinen Raum, nicht mehr diejenige, die immer krampfhaft gefallen wollte, sondern die dünne Riesin hinter dem Pult, die die Macht hat, ein Kreidestück in der Farbe ihrer Wahl zu nehmen und egal was an die Tafel zu schreiben. Eine Macht, die auszuüben damals lohnend erschien.
Spanish dancers, turn around,
Spanish dancers, get out of this town.
Man vergisst diese Lieder, später, aber das Wissen darum muss wie eine Geheimsprache von Kind zu Kind weitergegeben werden – seit wie langer Zeit? Sie wirken wie eine ganz andere Spezies, all diese Generationen von Kindern. Als müssten sie noch immer irgendwo existieren, selbst nachdem ihre Körper grotesk geworden sind und sie den Text und die Melodien vergessen und Enttäuschung gelernt haben und schließlich gestorben sind, und die letzte getrocknete Hülle ihrer selbst zwecks anständigem Begräbnis geschminkt und geschmückt wird von Sterblichen wie Niall Cameron, meinem Vater. Blöder Gedanke. Morbide. Ich darf solchen Gedanken in meinem Kopf keinen Platz einräumen. So etwas ist gefährlich. Ich weiß das.
Nebukadnezar, King of the Jews,
Sold his wife for a pair of shoes.
Dieses Lied hier kann ich mir vorstellen, wie es weit zurückreicht durch Zeiten und Sprachen. Skandiert auf Latein vielleicht, mit den gleichen hohen Singsangstimmen selbstgefälliger kleiner Römerinnen, die im Innenhof irgendeiner Villa in Gallien oder Britannien auf den Mosaiken Seil springen, ohne zu ahnen, dass die blauen Hundsköpfigen knurrend vor den Mauern stehen und lauschen. Da. Schon wieder. Das muss aufhören. Das tut mir nicht gut. Sobald ich mich beim Grübeln erwische, muss ich einfach den Schalter umlegen und an etwas anderes denken. Am Ende werde ich noch zur Exzentrikerin, Gott bewahre. Das ist nicht nur meine Einbildung. Ich habe es schon erlebt.
Nicht nur bei Lehrerinnen, natürlich, und nicht nur bei unverheirateten Frauen. Auch Witwen können extrem wunderlich werden, aber die können sich wenigstens mit Trauer herausreden.
Damit muss ich mich sicherlich erstmal noch nicht auseinandersetzen. Vierunddreißig ist ja noch relativ jung. Aber jetzt ist die Zeit, in der man auf der Hut sein muss.
Es klingelt, die Pause ist vorbei. Ich muss schnell meine Kinder einsammeln. Ich muss aufhören, sie als meine Kinder zu bezeichnen, selbst insgeheim. Das geht einfach nicht. Wir sagen es natürlich alle. Selbst Calla sagt es über die Fünftklässlerinnen: »Willst du mal das Plakat sehen, das meine Kinder heute gemalt haben?« Aber die Worte stellen keine Bedrohung für sie dar. Sie empfindet nur eine unbestimmte Art von belustigter Zuneigung und Gereiztheit ihnen gegenüber, allen gleichermaßen.
»Na kommt, zweite Klasse. Schön in eine Reihe stellen.«
Fange ich auch schon an, in diesem affektierten Tonfall zu sprechen, den sich so viele Lehrerinnen aneignen, ohne es zu merken? Anfangs sprechen sie nur mit den Kindern so, aber es wird zur Gewohnheit, und irgendwann können sie überhaupt nur noch so reden. Sapphire Travis macht es die ganze Zeit. Rachel, Liebes, sei ein liebes Mädchen und schenk mir ein winziges Tässchen Tee ein, ja? Die armen Erstklässler. Wie halten sie das nur aus? Kinder haben einen eingebauten Verlogenheitsradar.
»Na, los. Wird das heute noch was? Du meine Güte, James, hör auf zu trödeln.«
Jetzt war ich unnötig str