: Konstanze Thomas, Astrid H Kreszmeier
: Systemische Erlebnispädagogik Kreativ-rituelle Prozessgestaltung in Theorie und Praxis
: ZIEL Verlag
: 9783944708317
: 1
: CHF 15.00
:
: Erwachsenenbildung
: German
: 239
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Diese Publikation vollzieht einen Weg durch die kreativ-rituelle Prozessgestaltung: über Haltung zum Menschenbild, zum Kern des systemisch-pädagogischen Prozesses, hin zu den harten Wirklichkeiten der Sicherheit und des Projektmanagements. In den Artikeln werden einzelne methodische oder theoretische Aspekte beschrieben und in den Zusammenhang unterschiedlicher beruflicher Kontexte gesetzt. Ein reiches Spektrum, das fachliche Inspiration bietet und zur Reflexion des eigenen professionellen Handelns anregt. Zu Wort kommen Pädagogen, Beraterinnen, Künstler und Unternehmerinnen. Die Texte berichten von ihre Erfahrungen mit systemischer Erlebnispädagogik, sie geben Einblick in die methodische Praxis, ergreifen durch ihre Nähe zu persönlichen Erlebnissen und zeichnen sich durch stilistische Originalität aus.

Konstanze Thomas ist Diplom-Sozialpädagogin, Gründerin, Mitarbeiterin und Leiterin unterschiedlicher Projekte der Jugendarbeit, Zusatzqualifikationen in Erlebnispädagogischer Gruppenarbeit, Kreativ-ritueller Prozessgestaltung, Systemischer Naturtherapie. Seit 2005 Mitarbeiterin bei planoalto. Astrid Habiba Kreszmeier Buchhändlerin, Diplom Heil- und Sonderpädagogik, Diplom Erwachsenenbildung, Anerkennung als Systemische Psychotherapeutin und Supervisorin. Seit 1994 Mitarbeit in der Wildnisschule (Vorläufer von planoalto), seit 2002 Mitbegründung und Leitung von planoalto, Institut für systemisches Handeln, Lehrtrainerin und Begleiterin in allen planoalto-Weiterbildungen, Autorin und Herausgeberin von zahlreichen Buchpublikationen und Fachartikeln. planoalto Institut Planoalto, das Institut für systemisches Handeln und initiatorische Naturerfahrung, engagiert sich in der pädagogischen und erlebnispädagogischen Praxis und Basisarbeit, in der Weiterbildung, Beratung und Forschung. Es gilt als Pionier in der Verknüpfung von naturbezogenen und systemischen Arbeitsweisen, es betreibt praxisnahe Forschung und Methodenentwicklung.

Im Spiel der Phänomene

Astrid Habiba Kreszmeier

Eine phänomenologisch orientierte Pädagogik (wofür sich die Kreativ-rituelle Prozessgestaltung hält) baut ihren Rahmen, ihre Rhythmik und ihre methodisch-didaktische Interventionsführung auf der Annahme auf, dass der pädagogische Prozess von Phänomenen unterstützt oder gar geleitet werden kann. Wenn ich hier einige Sichtweisen zu diesem „Spiel der Phänomene“ im pädagogischen Kontext darstelle, dann im Bewusstsein, dass ich mich auf ein weites Feld begebe, dem ich nicht umfassend gerecht werden kann. Das hat einerseits mit unserer eigenen Begrenztheit, aber ebenso mit dem Gegenstand der Betrachtung zu tun, an den sich die Menschheit schon seit langer Zeit und aus vielen verschiedenen Forschungsrichtungen letztlich immer nur herantastet. So werde auch ich mich einer solchen Pädagogik hier nur fragmentarisch und assoziativ annähern, hoffe aber dennoch, einige hilfreiche Bilder und Gedanken mitteilen zu können.

Was ist (hier) ein Phänomen?

Ein Phänomen ist einfach gesagt „etwas, das sich zeigt“, „etwas, das sichtbar wird“, „etwas, das unter vielen anderen sichtbaren Ereignissen oder Dingen besonders hervorsticht“.

Wenn durch einen Seminarraum ein Tiger laufen würde, aber niemand sieht ihn, dann wäre er nicht nur kein Phänomen, sondern nicht einmal existent. Wenn sich in diesem Raum ein Schmetterling auf meinen Handrücken setzen würde, angenommen genau in dem Moment, in dem ich das berühmte Beispiel vom Flügelschlag eines Schmetterlings in China, der dann in Südamerika ein Erdbeben mitbewegt, erzähle, dann wird dieser Schmetterling erst dann wirklich, wenn ich oder irgendjemand ihn wahrnimmt. Aber selbst dann muss er noch kein Phänomen sein. Zum Phänomen wird er erst, wenn etwas zwischen mir und dem Schmetterling oder zwischen anderen und dem Schmetterling geschieht, das dieser Begegnung Bedeutung schenkt und die Beteiligten „berührt“.

Ein Phänomen ist also nicht per se ein Phänomen, sondern wird erst durch den Akt der Wahrnehmung und Beziehung zu einem solchen. Eine phänomenologisch orientierte Pädagogik ist also kurz gesagt eine Pädagogik der beziehungsstiftenden Wahrnehmung. Was die Sache nicht zwingend einfacher macht, weil die Wahrnehmung wohl einer der komplexesten Seinsvorgänge ist, mit denen wir uns befassen können.

Ein paar Gedanken zur Wahrnehmung

In uns allen fließt – weil über viele Jahrhunderte so gesehen und gelehrt – die Vorstellung, dass unsere Wahrnehmung ein Vorgang ist, durch den eine äußere Wirklichkeit objektiv und objektgetreu abgebildet wird. Das führt dazu, dass wir konsequent davon ausgehen, dass das, was wir wahrnehmen, genauso wirklich ist, dass es dort draußen, getrennt und unabhängig von uns, existiert.

Daran haben auch die Erkenntnisse der Physik, der Biologie, der Wahrnehmungspsychologie etc. der vergangenen 90 Jahre noch kaum etwas verändert, umso wichtiger, uns daran immer und immer wieder zu erinnern:

Das, was wir wahrnehmen, ist nichts Objektives, sondern das, was wir durch den Wahrnehmungsprozess, der von vielen vorbewussten Mustern und Selektionsverfahren geprägt ist, als Wirklichkeit herausfiltern.

Die Lebensfadenspinnmaschine

Demnach ist Wahrnehmung weit mehr als die Abbildung einer Wirklichkeit, sie ist ein Prozess, der aktiv an der Erschaffung dieser Wirklichkeit beteiligt ist. Meine Wahrnehmungsart beeinflusst nicht nur meine Wirklichkeit, sondern darüber hinaus auch die Wirklichkeit des Wahrgenommenen. Damit wird auch deutlich, dass Wahrnehmen kein einseitiger, sondern ein interaktiver Vorgang ist, bei dem die vorher so klaren Grenzen des Innen und Außen ziemlich rasch verschwimmen.

Für gewöhnlich geht der Wahrnehmungsprozess, das heißt auch der „Bedeutungsgebungsvernetzungsakt“ so schnell vor sich, dass er sich unserem Bewusstsein entzieht, wie die vielen Bilder im Film, die wir nie einzeln sehen, ohne die es beim schnellen Abspielen aber keine Bewegung gäbe. Und das macht auch Sinn, denn durch diesen Akt der Auswahl, Betonung, Ausblendung und Verknüpfung erzeugen wir eine kontinuierliche Ich-Identität und unser Leben erhält einen roten Faden.

Hinderlich ist, dass dieser sich hin und wieder ziemlich verheddert und auch, dass er uns manchmal