Forschung, Theorie und Praxis der Erlebnispädagogik
Zur Notwendigkeit eines Trialoges erster Ordnung und zweiter Ordnung
von Janne Fengler
1. Kontextualisierung und Eingrenzung des Themenfeldes
In der Erlebnispädagogik liegt das übergreifende Anliegen im Veränderungsimpuls: Wie jede Pädagogik geht sie von einer Erziehungsbedürftigkeit des Menschen, von seiner Lernfähigkeit und von der Fähigkeit, für andere Menschen erzieherisch tätig sein zu können, aus (Fengler 2015, 2017a). Die Frage nach den Wirkungen liegt daher ebenso wie bei anderen pädagogischen Ansätzen auf der Hand. Inwieweit ist die bisherige Forschungshistorie der Erlebnispädagogik mit forschungsbezogenen Diskussionssträngen und Kontroversen in der Erziehungswissenschaft in Zusammenhang zu sehen? Inwieweit ist die Erlebnispädagogik von diesen tangiert gewesen und inwieweit ist sie es heute? In welcher Hinsicht stehen die Herausforderungen, mit denen die erlebnispädagogische Forschung umzugehen hat, mit Vorgenanntem in Zusammenhang?
Der Fokus einer Beurteilung pädagogischer Maßnahmen nach ihrem Ergebnis hat sich in der Erziehungswissenschaft insbesondere seit denempirischen Wenden Bahn gebrochen. Zu Beginn der Disziplinbildung Ende des 19. und bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war die Forschung in der Pädagogik als geisteswissenschaftliche Fachrichtung hermeneutisch-qualitativ geprägt (vgl. Matthes 2011). Der erste Umbruch zu stärker quantitativ orientierter Forschung,realistische Wendung genannt, erfolgte in den 1960er und 1970er Jahren im Zuge bildungsökonomischer und bildungssoziologischer Initiativen (vgl. Roth 1962, 256 –286). Durch die sog. empirische Erziehungswissenschaft wurde dem Verstehen der frühen geisteswissenschaftlich und hermeneutisch geprägten Pädagogik dasErklären zum Erfassen von Erziehungswirklichkeiten paradigmatisch entgegengestellt (vgl. hierzu Smith/Keiner 2015). Ende der 1990er Jahre kam es im Zuge erster internationaler Schulleistungs-Vergleichsstudien zur sog. zweiten empirischen Wende (vgl. Fend 2010).
Die Erlebnispädagogik in Deutschland ist seit Anbeginn stark in der außerschulischen Handlungspraxis etabliert und allenfalls im Rahmen von Schulsozialarbeit oder eingebettet in Klassenfahrten systematisch-strukturell in Kontexte formellen Lernens integriert gewesen. Angesichts der in diesen Handlungsfeldern jedoch vollständig anderen Zielsetzungen sind die angestrebten Wirkungen erlebnispädagogischerMaßnahmen bisher nicht in das Blickfeld systematischer Evaluationen des Bildungssystems gefallen. Entsprechend kann von direkten Einflüssen der dort gelagerten empirischen Umorientierungen bzw. kann von analogenWenden nicht gesprochen werden. Die Hinwendung zur Erforschung der Effekte von Erlebnispädagogik war und ist demgegenüber eher dem Anliegen einer Legitimierung nach innen und außen geschuldet. Für den englischsprachigen Raum ist seit den 1950er Jahren ein gewisserbody of research der Erlebnispädagogik dokumentiert; die Anzahl und Qualität der Studien hat seit den 1970er Jahren noch einmal deutlich zugenommen (vgl. Ewert 1987; Paffrath 2013); im deutschsprachigen Raum markieren die späten 1980er und beginnenden 1990er Jahre eine stärkere Hinwendung zur Empirie (vgl. hierzu auch die Wirkungsanalyse Outward Bound, Jagenlauf/Bress 1990; vgl. Michl 2009; Paffrath 2013). Zur empirischen Forschungslage sei exemplarisch auf die dazu vorliegenden Meta-Analysen verwiesen (ausführlicher, wie auch zur kritischen Diskussion vgl. Fengler 2017b). Auf Grundlage dieser Datenbasis lässt sich feststellen, dass erlebnispädagogische Programme statistisch bedeutsame Effekte auf eine verbesserte Selbstwahrnehmung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern haben.
Der Forschungsstand ist unter Einbeziehung der vorliegenden empirischen Arbeiten und deren Qualität insgesamt als recht gut zu bezeichnen, wie auch die Disk