: Bernd Heckmair, Werner Michl
: Von der Hand zum Hirn und zurück Bewegtes Lernen im Fokus der Hirnforschung
: ZIEL Verlag
: 9783944708140
: 1
: CHF 15.00
:
: Schulpädagogik, Didaktik, Methodik
: German
: 188
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Hirnforscher haben eine neue Debatte um Erziehung und Bildung angefacht. Ihre Protagonisten erklären den etablierten Erziehungswissenschaftlern und ignoranten Institutionen, wie Lernen funktioniert. In diesem Buch geht es um die Emotionen und das Erleben, den Körper und die Bewegung, die Gruppe und die Gemeinschaft. Welche Rolle spielen sie beim Lernen? Wie können Lehrende und Studierende, Erziehende und Therapierende von den Erkenntnissen der Neurowissenschaft profitieren? Der Band enthält den frei nutzbaren und unbegrenzt reproduzierfähigen Kriterien- und Indikatorenkatalog zur Neurodidaktik. Als Hochschuldozentin oder Lehrer, als Personalentwicklerin oder Erwachsenenbilder, als Coach oder Trainerin können Sie ihre Konzepte und Programme mit diesem Test überprüfen. Die Autoren stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

Bernd Heckmair, Dipl.-Päd., Fachsportlehrer; Berater und Trainer für Führung, Teamentwicklung und Trainer-Qualifikation. Ausbildung zum Kommunikationstrainer (bei Friedemann Schulz von Thun) und zum Systemischen Berater (bei Fritz B. Simon). Geschäftsführer in mittelständischen Dienstleistungsorganisationen freiberuflich tätig seit 1998. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. '20 erlebnisorientierte Lernprojekte' (Weinheim, Basel 2008, 3. Auflage; Beltz-Verlag). Weitere Informationen unter: www.bernd-heckmair.de. &# 3; Werner Michl, Professor für Sozialwissenschaften an der Georg-Simon-Ohm Hochschule Nürnberg, Fakultät Sozialwissenschaften, und assoziierter Professor an der Universität Luxemburg. Von 1996 - 2002 Leiter des 'Zentrum für Hochschuldidaktik der bayerischen Fachhochschulen - DiZ' (www.diz-bayern.de). Seit Juni 2012 erster Vorsitzender von GFE / erlebnistage (www.erlebnistage.de). Mitherausgeber der Zeitschrift 'e&l. erleben und lernen. Internationale Zeitschrift für handlungsorientiertes Lernen' (Ziel-Verlag, Augsburg). Mitherausgeber der Buchreihe 'erleben und lernen' (Ernst Reinhardt Verlag, München, Basel). Weitere Informationen unter: www.wernermichl.de

2   Hirnforschung – Lust und Last des Lernens

Wenn heute Hirnforschung und Lernen in einem Atemzug genannt werden, dann denkt man an Gedächtnistraining, Anleitungen zum „Gehirnjogging“ und wohlfeile Ratgeber, wie man (angeblich) das Beste aus dem „biologischen Zentralcomputer“, so ein aktueller Bestseller (Rössler 2011), herausholen kann. Vielleicht kommt einem auch die Werbung in den Sinn, die unter dem Stichwort „Neuromarketing“ unser Konsumverhalten beeinflussen will. In intellektuellen Kreisen wird die Debatte über den „freien Willen“ aufmerksam verfolgt, der nach Meinung einiger Hirnforscher keineswegs frei sei sondern in hohem Maße determiniert. Das alles soll hier allenfalls am Rande interessieren. Wir wollen uns indessen auf Fragen konzentrieren, die erst in den letzten Jahren ins Blickfeld gerieten: „Welche Rolle spielen die Emotionen beim Lernen?“, „Was trägt der Körper zum Lernen bei?“, und „Welche Bedeutung hat die Gemeinschaft, in der der Mensch sich bewegt?“

2.1    Emotionen – die wirksamsten Lernkraftverstärker

Daniel Golemans „Emotionale Intelligenz“ (1996) sorgte für eine Aufwertung der Gefühle, die man sich sonst nur im Privaten, höchstens noch im Kulturellen zumutete. Das Buch war jahrelang weit oben in den Bestsellerlisten von SPIEGEL und FOCUS. Die damals noch neuen Erkenntnisse der Hirnforschung, auf die sich Golemans quellenreiches Kompendium stützt, wurden dabei nur am Rande wahrgenommen. Goleman ist kein Neurowissenschaftler, sondern gelernter Psychologe und als damals leitender Wissenschaftsredakteur der New York Times bestens ausgestattet und persönlich prädestiniert, eine auch für Laien gut verständliche Renaissance der Gefühle einzuläuten. Sein Verdienst war es, die auf Denken und Gedächtnis fixierte Definition von Intelligenz in Frage zu stellen und die unterschätzte Rolle der Emotionen zu beleuchten. Die eigentliche Offensive der Hirnforschung, anders als die Sozial- und Erziehungswissenschaften eine „Science“, eine Naturwissenschaft im engeren Sinne, erfolgte dann zu Beginn dieses Jahrhunderts. Es waren die Feuilletons der großen Zeitungen, die Antonio Damasio, den zu dieser Zeit wohl wichtigsten amerikanischen Neurowissenschaftler entdeckten. Er erregte mit einem originellen Körper-Seele-Verständnis Aufsehen. In seinem Buch „Descartes‘ Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn“ (1999) und dem programmatisch hinterher geschobenen „Ich fühle, also bin ich“ (2000) rückte er die bis dato vollkommen unterschätzte Bedeutung des Körpers in den Mittelpunkt seiner Thesen. Hannah Lühmann bringt es etwas umständlich, aber treffend auf den Punkt: „Nicht nur sind wir nicht Herr im eigenen Haus, sondern wir sind das Haus.“ (2011, S. 14). Fleisch und Bein als Ausgangspunkt für Denken und Fühlen! Ist das nicht ziemlich abwegig? Der portugiesisch stämmige Neurowissenschaftler aus dem verschlafenen Kleinstaat Iowa rüttelte heftig an vermeintlich ehernen Grundpositionen der kognitiven Psychologie und auch der Philosophie. Als Leiter einer neurologischen Klinik konnte er seine empirischen Studien auf mehr als zweitausend Krankenakten hirngeschädigter Patienten stützen. So verwarf er die dichotomische Trennung von Körper und Seele als Irrtum und entwickelte ein fast revolutionär anmutendes Konzept eines Selbst- und Körperbewusstseins, das sowohl Geist als auch Seele auf Materie zurückführt. „Emotion, Gefühl und Bewußtsein – alle diese Prozesse sind auf Repräsentationen des Organismus angewiesen. Ihr gemeinsames Wesen ist der Körper.“ (2000, S. 341) Die Grundzüge dieser auf den ersten Blick abenteuerlich anmutenden Konzeption wurden nun in den Feuilletons der Süddeutschen Zeitung (232/2000) und der ZEIT (41/2000) ganzseitig vorgestellt, lange bevor die Riege der deutschen Neurowissenschaftler von den hiesigen Medien wahrgenommen wurde.

Aus pädagogischer Sicht lässt sich eine erstaunliche Analogie feststellen, wenn man auf die knapp hundert Jahre vorher entbrannte Debatte um Lehren und Lernen zurückblickt: John Dewey, amerikanischer Pragmatiker und Philosoph, hat in seiner Laboratory School die vor allem körperlich gemeinte Selbsttätigkeit der Schüler zulasten einer verkopften und instruktionistischen Sto