Orte des Abenteuers – Räume der Bildung?
Sven Ismer, Martin Stern, Teresa Segbers& Daniel Rode
Der vorliegende Band „Abenteuer – Orte – Bildung“ eröffnet die Schriftenreihe „Marburger Beiträge zur Abenteuer- und Erlebnispädagogik“. Im Fokus dieser Reihe steht die systematische Analyse des Abenteuers in seinen gesellschaftlichen Rahmungen, seiner Bedeutung für die Humanontogenese und seinen Potenzialen für Bildungs- und Erziehungsprozesse in unterschiedlichen Handlungsfeldern. Die Reihe soll darüber hinaus dazu dienen, abenteuer- und erlebnispädagogische Theorie und Praxis kritisch zu reflektieren und einen Rahmen für konzeptionelle Weiterentwicklungen des Feldes bieten, die sich nicht zuletzt an den spezifischen Herausforderungen der Gegenwart orientieren müssen. Zu diesen Herausforderungen für die Pädagogik gehört insbesondere die Frage nach einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die fortschreitende Zerstörung der ökologischen Lebensgrundlagen von Menschen und Tieren sowie der sich verschärfende Klimawandel sind existenzbedrohende Probleme, die auch die Frage aufwerfen, welche Beziehung wir zu unserem Lebensraum haben, bzw. dazu auffordern, diese Beziehung grundlegend zu verändern. Aus dieser Problemlage ergibt sich die Frage nach dem Raumbezug von Theorie und Praxis der Abenteuer- und Erlebnispädagogik, die wir in unserem Eröffnungsband adressieren möchten.
1. Die Orte des Abenteuers
Abenteuer- und erlebnispädagogische Ansätze und Angebote sind traditionell eng an Naturorte geknüpft. Die Bedeutung, die diesen Orten konzeptionell sowie praktisch zukommt, bewegt sich allerdings zwischen zwei durchaus problematischen Polen der Stilisierung: Auf der einen Seite, insbesondere in Teilen ihrer theoretischen Traditionen, werden diese Orte als machtvolleAkteure imaginiert, die, bedingt durch ihre Wildheit, ihre Widerständigkeit, ihre Wagnisforderungen, durch ihre Erhabenheit und Ästhetik, bildungsförderliche Wirkungen auf das Individuum ausüben. Auf der anderen Seite, und hier kommen nicht zuletzt die engen Verbindungen zu Praktiken des Abenteuersports zum Tragen, werden diese Orte oftmals zu einer bloßen Bühne für erlebnisträchtige pädagogische Interventionen und damit zur passivenKulisse für das sich bewährende Subjekt degradiert. Beiden Extremen gemeinsam ist die problematische Tendenz zur VerAnderung1 (Reuter, 2011) der Natur, welche die vieldimensionale existentielle Verstricktheit der Akteur*innen mit dem sie umgebenden Ort verdeckt bzw. in den oben ausgeführten Extremen banalisiert.
Trotz dieser Kritik lässt sich aber auch feststellen, dass in den theoretischen Traditionen der Abenteuerpädagogik zwei wichtige Potentiale angelegt sind, die eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Beziehung zum Raum befördern können. Da ist zunächst der unter Rückgriff auf Koller (2012) in Anschlag gebrachte transformatorische Bildungsbegriff, der auf eine grundlegende (produktive) Änderung und Erweiterung der Selbst- und Weltverhältnisse zielt, und der damit für eine Pädagogik, in deren Mittelpunkt Nachhaltigkeitserwägungen stehen, ein geeignetes Fundament darstellt. Und da ist zudem die zentrale Rolle, die die Auseinandersetzung mit dem Fremden für den Bildungsbegriff der Abenteuerpädagogik spielt. Der in ihr zugrunde gelegte Begriff des Fremden geht im Wesentlichen auf die von Waldenfels in Anschluss an Husserl formulierte, in der Leibphänomenologie verankerte Perspektive zurück: Dem Fremden kommt dabei keineswegs der Status eines passiven Gegenübers zu; das Sich-Entziehen des Fremden ist vielmehr als Aktives zu verstehen, das da