1. | Kultur und Interkulturelles Lernen |
„Von den Fremden nimmt man (also) zunächst nur ein Bild wahr, das sich zusammensetzt aus vielfältigen Vorannahmen und Eindrücken, aus den Phantasien über die fremde Kultur. Deshalb verweist jede Auseinandersetzung mit Fremden unausweichlich zurück auf die eigene Kultur. Will ich das Fremde verstehen muss ich zuallererst mich selbst, meine eigene Kultur und meine eigene historische und soziale Situation verstehen und begreifen. Gerade das aber macht die Auseinandersetzung mit Fremden so schwierig, weil die Wahrnehmung des fremden auf das engste verflochten ist mit der eigenen Geschichte.“2
1.1 Wer oder was bestimmt Kultur?
Wie umfassend und zugleich uneinheitlich „Kultur“ verstanden wird, zeigt sich in wissenschaftlichen und Alltagsdefinitionen gleichermaßen. So wird „Kultur“ zum Beispiel gleichgesetzt mit
Kunst, Theater, Literatur, Malerei,
Verhaltensregeln und „Benimm“,
„Zivilisation“ (welche man selbst hat, die anderen aber nicht) oder:
„Stark vereinfacht: Die Art und Weise wie wir hier die Dinge tun.“3
Aber auch die Wissenschaft ist noch zu keiner einheitlichen Definition gelangt. In einem entsprechenden Vergleich unterschieden Kulturanthropologen über 150 verschiedene Definitionsversuche zum Begriff „Kultur“.4
„Kultur“ wird nach wie vor je nach wissenschaftlicher Ausrichtung und Absicht anders definiert. Wichtig ist daher, dass eben diese jeweilige Absicht und Vorstellung von Kultur präzisiert und damit die Verständigungsgrundlage deutlich wird.
Bis in die späten sechziger Jahre hinein wurde Kultur eher als enger Oppositionsbegriff benutzt: Kultur vs. Natur oder vs. Massenkultur. Erst danach ging man dazu über, den Kulturbegriff zu erweitern und Kultur als eine soziale Praxis zu sehen: als einen Zusammenhang lebensweltlicher Orientierung (Schütz/Luckmann) oder als Wissensvorrat, aus dem sich Kommunikationsteilnehmer mit Interpretationen versorgen (Habermas)5.
Kultur ist ein Orientierungssystem
Ausgehend von der Austauschforschung6 soll Kultur auch hier als solch einOrientierungssystem verstanden werden, Kultur als ein dynamisches Netzwerk und nicht als statischer Container7. Der Psychologe Alexander Thomas definiertKultur als
„… ein universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber sehr typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft usw. tradiert. Es beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, werten und Handeln aller ihrer Mitglieder und definiert somit deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Kultur als Orientierungssystem strukturiert ein spezifisches Handlungsfeld für die sich der jeweiligen Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuen und schafft damit die Voraussetzungen zur Entwicklung eigenständiger Formen der Umweltbewältigung.“8
Kulturstandards
Verschiedene Fachleute haben daran gearbeitet, Möglichkeiten zu finden, mit denen sich Kulturen vergleichen lassen. Bei der Erforschung der jeweiligen kulturspezifischen Orientierungssysteme entwickelte z.B. A. Thomas die„Kulturstandards“, unter die sich alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Han