: Wilhelm Raabe
: mehrbuch Verlag
: Zum wilden Mann
: mehrbuch
: 9783754175118
: 1
: CHF 1.80
:
: Erzählende Literatur
: German
: 129
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
mehrbuch-Weltliter tur! eBooks, die nie in Vergessenheit geraten sollten. Zum wilden Mann ist eine Novelle von Wilhelm Raabe, die im Spätsommer 1873 entstand und in Leipzig erschien. Der zu den 'Krähenfelder Geschichten' gehörige Text war bereits im April 1874 in Westermanns Monatsheften abgedruckt worden. Eine gutbürgerliche reichsdeutsche Männerfreundschaft zerbricht am schnöden Mammon.

Wilhelm Karl Raabe war ein deutscher Schriftsteller. Er war ein Vertreter des poetischen Realismus, bekannt für seine gesellschaftskritischen Erzählungen, Novellen und Romane. Raabe lebte mehrere Jahre in Wolfenbüttel, acht Jahre in Stuttgart und fast 40 Jahre in Braunschweig.

Erstes Kapitel.


Sie machten weit und breit ihre Bemerkungen über das Wetter, und es war wirklich ein Wetter, über das jedermann seine Bemerkungen laut werden lassen durfte, ohne Schaden an seiner Reputation zu leiden. Es war ein dem Anscheine nach dem Menschen außergewöhnlich unfreundlicher Tag gegen das Ende des Oktober, der eben in den Abend oder vielmehr die Nacht überging. Weiter hinauf im Gebirge war schon am Morgen ein gewaltiger Wolkenbruch niedergegangen, und die Vorberge hatten ebenfalls ihr Teil bekommen, wenn auch nicht ganz so arg als Volk, Vieh, Wald, Fels, Berg und Thal weiter oben. Sie waren unter den Vorbergen nordwärts vollkommen zufrieden mit dem, was sie erhalten hatten, und hätten gern auf alles weitere verzichtet, allein das Weitere und Übrige kam, und sie hatten es hinzunehmen, wie es kam. Ihre Anmerkungen durften sie freilich darüber machen; niemand hinderte sie.

Es regnete stoßweise in die nahende Dunkelheit hinein, und stoßweise durchgellte ein scharfer, beißender Nordwind, ein geborener Isländer oder gar Spitzbergener, aus der norddeutschen Tiefebene her die Lüfte, die Schlöte und die Ohren und ärgerte sich sehr an dem Gebirge, das er, wie es schien, ganz gegen seine Vermutung auf seinem Wege nach Süden gefunden hatte. Er war aber mit der Nase darauf gestoßen oder vielleicht auch darauf gestoßen worden und heulte gleich einem bösen Buben, der gleichfalls mit dem erwähnten Glied auf irgend etwas aufmerksam gemacht und hingewiesen wurde. Ohne alle Umschreibung: der Herbstabend kam früh, war dunkel und recht stürmisch; — wer noch auf der Landstraße oder auf den durchweichten Wegen zwischen den nassen Feldern sich befand, beeilte sich, das Wirtshaus oder das Haus zu erreichen; und wir, das heißt der Erzähler und die Freunde, welche er aus dem deutschen Bund in den norddeutschen und aus diesem in das neue Reich mit sich hinübergenommen hat, — wir beeilen uns ebenfalls, unter das schützende Dach dieser neuen Geschichte zu gelangen.

Der Abend wird gemeiniglich eher Nacht, als man für möglich hielt; so auch diesmal.

Es ist recht sehr Nacht geworden. Wieder und wieder fegt der Regen in Strömen von rechts nach links über die mit kahlen Obstbäumen eingefaßte Straße. Wir halten, kurz atmend, die Hand über die Augen, uns nach einem Lichtschein in irgend einer Richtung vor uns umsehend. Es müssen da langgestreckte, in ihrer Länge kaum zu berechnende Dörfer vor uns, dem Gebirge zu, liegen, und der geringste Lampenschimmer südwärts würde uns die tröstende Versicherung geben, daß wir uns einem dieser Dörfer näherten. Vergeblich!

Pferdehufen, Rädergeroll, Menschentritte hinter uns? Wer weiß?

Wir eilen weiter, und plötzlich haben wir das, was wir so sehnlich herbeiwünschen, zu unserer Linken dicht am Pfade. Da ist das Licht, welches durch eine Menschenhand angezündet wurde. Eine plötz