Mittwoch
Die Tradition mit den Superheldenfilmen begann eigentlich mit einem Zufall. Wir waren vierzehn, gelangweilt und total kulturlos. Jamies Mutter hatte ihm zu Weihnachten einen Geschenkkorb zum Thema Superhelden zusammengestellt und wir haben uns einfach alles Mögliche davon reingezogen. Schon bald wurde das unser Ding.
Jetzt ist es fast heilig, daher ist Belles Anwesenheit in meinem Heimkino im Grunde Blasphemie.
Ich sitze hier mit dem Film auf dem Schoß und will Jamie nicht dabei unterbrechen, wie er die Kuh-Geschichte von vor ein paar Jahren erzählt. Ich lächle und nicke, obwohl ich die Geschichte so sinnlos finde wie beim ersten Mal.
»... also habe ich versucht, der Frau zu erklären, dass das Euter die Genitalien der Kuh sind ...«
Ich weiß nicht, wie Belle sich dafür wirklich interessieren kann. Ich beobachte sie, wie sie ihn beobachtet, und ihr nerviges Gesicht beschäftigt mich. Sie hat sich in dem weichen schwarz-weißen Kinosessel zusammengerollt, mit langem Hals, rosa Wangen, langen Wimpern, richtig pinkfarbenen Lippen – ich kann schon verstehen, warum so viele Jungen in sie verliebt sind. Sie ist hübsch – wenn man Mädchen wie sie mag, natürlich. In meinem Magen grummelt es, als ob er knurren wollte.
Ich sehe weg und das Gefühl verschwindet. Wahrscheinlich erinnert mich mein Körper daran, wie sehr ich ihre Beziehung verabscheue.
»... und ich kriege Ärger, denn offenbar dürfen wir Kühe essen, sie aber nicht jagen ...«
Ich räuspere mich und unterbreche die Geschichte, die eine seltsame Wendung nimmt.
»Zeit für den Film!« Ich stehe auf, gehe zum Projektionsgerät hinten im Zimmer und lege den Film ein. Hinter mir höre ich Belles leichtes, irritierendes Lachen, als die CD im Laufwerk verschwindet. Ich habe keine Lust, mich umzudrehen und sie beim Turteln zu beobachten, deshalb richte ich meinen Blick auf die Wand, die als Leinwand fungiert. Die CD läuft an, bleibt dann aber stehen, als der Vorspann läuft.
»Warum geht Microsoft Powerpoint über die Straße ...?«
Mein Instinkt rät mir, das erstbeste schwere Objekt nach Jamie zu werfen, doch stattdessen stoße ich ein trockenes Lachen aus. Mein Blick fängt kurz den von Belle auf und wieder rumort es in meinem Magen, bevor ich Jamie anlächle.
»Wie schön, dass du immer noch die alten Witze deines Vaters recycelst«, sage ich. Ich stelle den Film auf Pause, weil ich ihre volle Aufmerksamkeit haben will, bevor ich ihn starte, und setze mich dann wieder auf meinen Platz neben Jamie.
»Du hast ein schönes Heimkino«, sagt Belle. Ihr Gesicht kann ich nicht so lesen wie das von Ruby oder Ava.
»Danke«, erwidere ich, ohne sie anzusehen, da ich insgeheim damit beschäftigt bin, nachzusehen, ob es irgendetwas Hässliches in diesem Raum gibt. Es ist meine Zuflucht vor der lauten Welt. Hier kann ich manchmal stundenlang sitzen und allein im Dunkeln Filme sehen, um den Kopf frei zu bekommen. Mum und Dad haben den Raum vor Jahren für mich bauen lassen und ich habe ihn selbst eingerichtet. Die Decke ist schwarz und mit Dutzenden Lichtern besetzt, wie ein Sternenhimmel. Es gibt einen weichen grauen Teppich und drei Reihen großer Kinosessel.
Mir gefällt der Raum, und wenn Belle ihn nicht mag, kann sie ja gehen. Da ist die Tür ...
»Weißt du, dass Chi früher einen riesigen Winnie Puuh hatte? Sie hat ihn aber rausgeworfen, weil er nicht zu der Persönlichkeit passte, die sie in der 10. Klasse sein wollte«, verkündet Jamie.
»Ach ja? Und was für eine Persönlichkeit war das?«, erkundigt sich Belle.
Ich lächle sie gequält an. Danke, Jamie.
»Das hatte nichts mit Persönlichkeit zu tun, ich war nur aus der Winnie-Zeit herausgewachsen.«
»Sie hat es mir selbst gesagt: Sie wollte mehr wie Blair Waldorf sein und weniger wie Meg Griffin«, fährt Jamie fort.
»Ich hatte auch eine Winnie-Phase«, gesteht Belle, »aber ich habe sie schon mit sieben überwunden.«
Jamie lacht und ich verspüre den Wunsch, beide zu treten.
»Ich glaube, wir haben diese Phase alle vor der Highschool überwunden. Chi ist eben etwas Besonderes ...«
»Der F