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Nordsee, 12. März 1822
Yorick war ein mutiger Mann. Wenn der Schöpfer ihn über das Meer schickte und er im prasselnden Regen die dunklen Wasserberge vor sich aufragen sah, breitete er die Arme aus, lachte und brüllte seinen Spott in den schwarzen Himmel. Sollten sich seine Kameraden zitternd vor Furcht an die Reling oder an die Rettungsseile klammern und wimmernd unter Deck verstecken, er beugte sich nicht. Mit seiner Wollmütze auf dem großen Schädel hielt er die Stellung am Ruder, egal, was passierte – selbst in der dunkelsten Nacht, selbst im schlimmsten Orkan.
Yorick hatte vor nichts Angst. Doch die grenzenlose Wut dieses Sturms, des heftigsten, den er jemals erlebt hatte, ließ sogar den hünenhaften Seemann verstummen.
Schon den zweiten Tag und die zweite Nacht kämpfte die Mannschaft derEdda mit den entfesselten Elementen. Kirchturmhohe Brecher krachten ununterbrochen von achtern auf das Deck des Frachtseglers, warfen das Schiff wie ein Stück Treibholz umher. Ein wütendes Grollen hallte durch die nasse Welt, als wäre ein gewaltiges Ungeheuer aus den Fluten gestiegen, um die Seeleute hinab zu sich in die eisige Tiefe zu ziehen.
Dabei hatten sie es fast geschafft. Vier Monate war es jetzt her, seit dieEdda bei strahlendem Sonnenschein den Hafen von Triest verlassen hatte. Die Galeasse hatte Italien umrundet und Livorno an der Westküste angesteuert. Sie waren nach Marseille gesegelt, dann weiter Richtung Süden. Nach kurzem Aufenthalt in Valencia waren sie durch die Straße von Gibraltar in den Hafen von Lissabon gelangt. Schließlich ging ihre Reise entlang der Küste gen Norden. Schon in der Biskaya hatten sie mit schwerer See zu kämpfen. Dann erreichten sie den Ärmelkanal und die Nordsee – und gerieten mitten in einen der fürchterlichsten Orkane seit Menschengedenken!
Ihr holländischer Kapitän, Mathis van Dijk, hatte besorgt in den immer dunkleren Himmel hinaufgeschaut, als sie die Küste vor Dover passierten.
»Wir sollten einen Hafen anlaufen«, sagte er und strich sich mit der Hand über den kahlen Schädel.
Der junge Eigner derEdda, Heinrich Schönbeck, der sie seit Triest begleitete, schüttelte den Kopf. »Wir haben zu viel Zeit verschenkt. Wir sind schon seit drei Monaten unterwegs. Da werden wir die letzten paar Tage wohl auch noch schaffen.«
Die Mannschaft murrte, doch niemand wagte einen Einwand vorzubringen.
»Der Käpt’n hat recht«, sagte schließlich Yorick.
»Nun hört schon auf, ihr Feiglinge!«, lachte Schönbeck. Er wandte sich ab und sah zum Horizont. »Man kann den Michel doch praktisch schon sehen. Nein, wir fahren weiter.«
Die falsche Entscheidung.
Tatsächlich war es