PROLOG
Das Dunkelmeer
DER STURM WIRD IMMER SCHLIMMER.
Blitze schneiden durch einen wütenden schwarzen Himmel, kurz darauf ertönt das Krachen des Donners. Die Wellen schlagen gegen den Schiffsrumpf, während ich mit weißen Fingerknöcheln die Holzreling umklammere. Heftige Windböen reißen Haare aus meinem Zopf und peitschen mir feuchte braune Haarsträhnen ins Gesicht.
Ich wage es nicht, loszulassen, um sie wegzuwischen. Stattdessen behalte ich meine Augen auf dem Meer. Auf der Suche nachihr.
In gewisser Weise habe ich mein ganzes Leben damit verbracht, nach ihr zu suchen. Und heute Abend könnte meine Reise endlich zu Ende gehen.
Unbeendet. Ohne sie zu finden.
Ahtohallan! Bitte! Ich brauche dich!
Vielleicht hat sie nie existiert. Vielleicht war sie einfach ein Mythos. Ein dummes Lied, um Kinder in den Schlaf zu wiegen. Damit sie sich sicher und geborgen fühlen in einer Welt, die alles andere als das ist. Vielleicht war ich eine Närrin zu glauben, wir könnten einfach losgehen und sie aufspüren. Die Geheimnisse der Mutter kennenlernen.
Ich kenne die Geheimnisse einer Mutter.
Eine weitere Welle stürmt herbei, schlägt gegen den Rumpf und spritzt Gischt aus eisigem Meerwasser in mein Gesicht. Kurzzeitig vom Salz geblendet, das mir in den Augen brennt, stolpere ich rückwärts. Ein starkes Paar Hände greift meine Hüften und eine kraftvolle Brust hinter meinem Rücken hält mich aufrecht.
Schon während ich mich umdrehe, weiß ich, wer hinter mir steht. Der Mann, der fast mein ganzes Leben bei mir war. Der Mann, der mich mehr als jeder andere auf der Welt zum Lachen – und zum Weinen – gebracht hat. Mein Ehemann. Der Vater meiner Töchter. Mein Feind. Mein Freund.
Meine Liebe.
Agnarr, der König von Arendelle.
„Komm, Iduna“, sagt er und dreht mich herum, um mir in die Augen zu sehen. Er greift nach meinen Händen und umklammert sie. Seine sind so warm und stark, wie meine kalt und zitternd sind.
Ich schaue auf und bemerke die Wildheit in seinen blattgrünen Augen. Falls er Angst hat, zeigt er sie nicht.
„Wir müssen unter Deck gehen“, ruft er durch den wilden Sturm. „Befehl des Kapitäns. Hier oben sind wir nicht sicher. Eine große Welle könnte dich über Bord gehen lassen.“
Ich möchte um mich schlagen, mich dem Befehl widersetzen.Mir geht es gut. Ich kann auf mich selbst aufpassen. Ich bin nicht irgendein dummes Mädchen, das sich vor den Elementen fürchtet.
Aber was ich eigentlich sagen möchte ist:Ich kann nicht weggehen. Ich habe sie noch nicht gefunden.
Wenn ich nach unten gehe, finde ich sie vielleicht nie.
Und wenn das passiert …
Elsa. Meine süße Elsa … Meine liebe Anna …
Agnarr sieht mir direkt in die Augen. Ich seufze und befreie meine Hände aus seinen, stolpere zu den Stufen, die zu unserer Kabine füh