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Berlin, Mai
Schade, dachte Navid, als Agnes ihnen eröffnete, dass Franz im Schützenhaus war. Milla und er waren zum Abendessen bei den Großeltern eingeladen, schon lange, und das Vorstandstreffen des Zehlendorfer Schützenvereins war kurzfristig anberaumt worden.
»Der Verein ist Franz’ Ein und Alles. Wisst ihr doch. Seit er in Rente ist, noch mehr«, entschuldigte Agnes ihren Mann.
Navid konnte das gut verstehen. Der Schützenverein war für den geselligen Franz ein Lebenselixier. Trotzdem bedauerte er es, dass Millas Großvater nicht da war, denn der einfache, warmherzige Mann erinnerte ihn sehr an seinen Onkel, den er in Kundus begraben hatte.
»Irgendwie braucht er das«, meinte Milla, als sie Navids enttäuschte Miene sah.
»Ja«, sagte Agnes. »Es geht dort sehr ungezwungen zu. In Wolfen war die Werkfeuerwehr wie eine Familie, wie die Kollektive eigentlich überall. Da trennte man nicht so zwischen beruflich und privat. Diese Einbettung hat ihm hier immer gefehlt, obwohl die Werkfeuerwehr von Schering auch eine gute Truppe war.«
Der Abend war warm, und Agnes führte die beiden auf die Terrasse. Bei Millas Großeltern fand immer alles im Garten statt, wenn es irgend ging. Navid mochte das, denn der Duft von frischem, saftigem Grün betörte ihn. Vielleicht, dachte er, kommt das daher, dass ich im fruchtbaren Tal des Kundus gewohnt habe. Der Fluss hatte seiner Stadt auch den Namen gegeben, und das saftige Grün des Frühlings hielt sich an seinen Ufern viel länger als in anderen Gegenden Afghanistans.
»Den Grill habe ich nicht angeworfen«, entschuldigte sich Agnes. »Aber die Bockwürste und Knacker von unserem Fleischer sind auch gut. Müssten gleich warm sein.«
Der große runde Terrassentisch mit dem weißen, leicht schnörkeligen Metallgestell war gedeckt, mit Agnes’ so schlichtem wie gutem Kartoffelsalat, einer Porzellansenfdose, einem Tellerchen mit Paprika, Gurke und Cocktailtomaten sowie der unvermeidlichen Teekanne, daneben standen Bier- und Saftflaschen in einem Eimer mit kaltem Wasser.
Navid legte afghanisches Fladenbrot dazu, das er gebacken hatte. Es war das Einzige, was er von früher wirklich konnte. Er hatte versucht, die afghanischen Gerichte zu kochen, die seine Mutter zubereitet hatte, aber es hatte einfach nicht nach Zuhause geschmeckt, und da hatte er es aufgegeben. Dass er es nicht so hinbekam wie seine Mutter, ließ seinen Schmerz nur neu aufleben. Milla und er aßen trotzdem viel Reis, Bohnen und sonstiges Gemüse. Gegen den Zehlendorfer Fleischer hatte Navid allerdings noch nie etwas einzuwenden gehabt.
»Die sind aber schön!«, sagte Milla und zeigte auf die zarten Blüten der Anemonen, die sich in einem der Beete wiegten, die die große Rasenfläche umgaben.
Agnes nahm sie bei der Hand, sie gingen die Natursteinstufen von der Terrasse hinunter und traten zu dem Beet. »Riech mal an der hier.« Sie zeigte auf eine andere Blüte dazwischen. »Ist die letzte.«
Milla hielt die Nase daran, und Navid, der den beiden gefolgt war, tat es ihr nach.
»Riecht nach Jolas Parfum«, sagte er überrascht.
»Ja«, sa