: Katja Maybach
: Schicksalsstunden Roman
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426462645
: Die Chronik der Familie Laverne
: 1
: CHF 13.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Von der Ruhe vor dem Sturm: Teil 2 des historischen Familienromans »Die Chronik der Familie Laverne« erzählt vom Neuanfang und aufziehenden Wolken zwischen den Weltkriegen. 1930: Der 1. Weltkrieg ist überstanden, die Schwestern Luise und Victoria Laverne wagen einen Neuanfang, nachdem der Tod ihres geliebten Bruders Franz in der Schlacht an der Somme die Familie in eine tiefe Depression gestürzt hatte. Victoria geht gegen den Willen der Familie nach Berlin und feiert in der lebenshungrigen Hauptstadt erste Erfolge als Kostümbildnerin für Shows und Filme. Luise hingegen gelingt es, das Kurhotel Deutscher Kaiser nach dem schlimmen Brand allmählich aufzubauen, und ist endlich wieder verliebt - in einen jüdischen Architekten. Da immer mehr Angehörige der NSDAP in den Kurort kommen, um sich zu erholen, ist die Situation nicht einfach. Und plötzlich erscheint die sechzehnjährige Olga, Enkelin des Brandstifters, auf der Bildfläche. Sie will die Rachetat ihres Großvaters vollenden und die Familie Laverne zerstören... Für ihre opulente historische Familiensaga um drei Geschwister und ein elegantes Kurhotel vor dem Hintergrund der beiden Weltkriege hat sich Katja Maybach vom Schicksal ihrer eigenen Familie inspirieren lassen. Der erste Band der Familiengeschichte ist unter dem Titel »Schicksalszeit« erschienen und beginnt 1914 am Vorabend des 1. Weltkriegs.   Ebenfalls eng an ihre eigene Familiengeschichte angelehnt ist Katja Maybachs historische Familiensaga aus den letzten Jahren des 2. Weltkriegs und der Nachkriegszeit: - »Die Stunde unserer Mütter« (1940-1945) - »Die Zeit der Töchter« (50er Jahre)    

Katja Maybach war bereits als Kind eine echte 'Suchtleserin', was beinahe automatisch zum eigenen Schreiben führte. Schon mit zwölf Jahren schrieb sie ihren ersten Roman und einige Kurzgeschichten. Doch sie hatte immer schon eine zweite Leidenschaft: die Mode. Und so gewann sie mit fünfzehn Jahren den Designerpreis einer großen deutschen Frauenzeitschrift für den Entwurf eines Abendkleides. Mit siebzehn ging sie nach Paris und wurde zuerst Model in einem Couture Haus, später eine erfolgreiche Designerin. Nach einer schweren Krankheit begann sie, Romane zu schreiben. Bereits ihr Debüt 'Eine Nacht im November' war ein großer Erfolg und wurde in Frankreich ein Bestseller. Heute lebt die Autorin in München, sie hat zwei erwachsene Kinder.

EINS



Kurort Bad Lichtenberg

1930
Julian

Flirrend fielen die Sonnenstrahlen eines Frühsommertags durch die Blätter der Birken, die die Allee säumten und an deren Ende man die alte Villa der Familie Laverne erkennen konnte. Julian sah hinauf, ging ein paar Schritte den Weg hoch, blieb stehen, kehrte dann um. Er hatte am Telefon eine spätere Ankunftszeit angegeben, also erwartete ihn noch niemand, und genau das war es, was er gewollt hatte. Keine Freudentränen seiner Mutter Elisabeth, wenn sie ihn am Bahnhof vor allen Leuten in die Arme schloss, und auch keinen Schulterschlag seines Vaters Carl, der ihm versicherte, es sei ohne Bedeutung, dass er zweimal durchs Abitur gerasselt war, bevor er es mit größter Mühe beim dritten Anlauf geschafft hatte, während sein Zwillingsbruder Felix bereits seit drei Jahren in München studierte. Diese emotionalen Szenen konnten noch warten.

Sein Gepäck hatte er schon vorausgeschickt, und so lief er schnell zurück auf die Hauptstraße, sah hoch zumGrand Hotel Deutscher Kaiser, dessen alleinige Besitzerin seine Cousine Luise war. Sein Blick blieb an dem legendären Westflügel hängen, der in seiner früheren Schönheit neu erstrahlte. Nach zwölf Jahren Wiederaufbau waren am Tag zuvor das Gerüst und die Planen endlich entfernt worden. Nun gehe es mit einem berühmten Architekten an die Innenausstattung, hatte sein Vater ihm am Telefon erzählt. »Du weißt ja, vier Jahre nach dem Krieg haben wir den Ostflügel mit der Halle und einigen Räumen wieder eröffnen können, aber der Westflügel ist der große Teil des Hotels, der vor dem Krieg den internationalen Ruf eines Luxushotels begründet hat. Hoffen wir, dass wir bald wieder zu den berühmten Hotels in Europa gehören werden.«

Julian musste lächeln. Sein Vater Carl identifizierte sich immer noch mit dem Hotel, an dem er Anteile besessen, die er aber vor einigen Jahren an Luise abgegeben hatte.

Julian überquerte die Straße und ging direkt ins Kurhaus mit seinem gewölbten Glasdach. Nur wenige Gäste standen in der Wandelhalle um die Brunnen herum und tranken gelangweilt das Heilwasser aus Bechern. Nichts schien geblieben von der Eleganz der Vergangenheit, als ein Pianist nebenan im Restaurant Palmengarten am Flügel leichte Melodien gespielt und die Kurgäste in der Wandelhalle aus geschliffenen Gläsern das Wasser getrunken hatten, gereicht von Kellnern im Frack. Die Damen waren damals in ihren Kreationen der Pariser Couturiers durch die Halle flaniert und hatten angeregt den neuesten Gesellschaftsklatsch ausgetauscht. Doch das war Vergangenheit, damals, als das Hotel nochGrand Hotel hieß, bevor es während des Großen Kriegs inDeutscher Kaiser umbenannt worden war. Julian blieb unentschlossen stehen und sah hinüber ins Restaurant mit den vielen Palmen und dem plätschernden Springbrunnen.

Auch hier schien es wie früher und doch anders – war es die Stimmung, das Fehlen der eleganten Gäste, die das Flair dieses Kurorts bestimmt hatten?

Das Leben ist Veränderung – dies war der Lieblingssatz seines Vaters Carl, der bei Julian Unbehagen auslöste. Wie würde sich sein Leben nach den Jahren im Internat verändern, was erwartete sein Vater von ihm, was erwartete er selbst? Er hatte keine Ahnung. Zögernd wandte er sich ab und ging in den »Exotenraum«. In der Mitte erhob sich der gläserne Pavillon, und um ihn herum war ein kleiner Garten angelegt, in dem zwei Pfaue auf und ab stolzierten. Auch hier schien alles wie früher zu sein, die exotischen Vögel tummelten sich im Pavillon, zwitscherten, krächzten, stritten sich.

»Wenn du den blauen Papagei suchst – er ist gestorben.«

Überrascht drehte sich Julian um. Hinter ihm stand eine sehr junge Frau, deren graue Augen ihn forschend betrachteten.

»Kennen wir uns?« Julian war verlegen, weil sie ihn einfach duzte.

»Ich bin Olga«, betonte sie, während der Blick ihrer grauen Augen ihn nicht losließ.

»Tut mir leid, aber ich erinnere mich nicht an dich.«

»Du und dein Bruder, ihr wart die frechen Jungs, die mich immer geärgert haben. Am Bahnhof. Ihr wart beide Pfadfinder«, half sie ihm