: Annabelle Wimmer Bakic
: Der Gesang des Eises Wie ich zur Schamanin wurde
: O.W. Barth eBook
: 9783426464045
: 1
: CHF 15.00
:
: Sonstiges
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Schamanin erzählt in ihrer spirituellen Biografie ihre spannende Sinnsuche, bei der sie tief in das heilige Wissen der Grönland-Schamanen eindringt. In einer persönlichen Sinnkrise lernt Annabelle den Grönland-Schamanen Ankaara kennen, der sie mit in das Land seiner Vorfahren nehmen will - weil er von ihrer Gabe als Seherin weiß. Sie folgt seinem Ruf, lässt ihren Mann und die zwei Kinder zu Hause zurück, und reist mit Ankaara bei minus 50 Grad auf Huskyschlitten durch endlose Eiswüsten, über zugefrorene Fjorde und schneebedeckte Berge. Ziel der Reise sind die alten Ritualplätze, um verloren gegangenes, spirituelles Wissen zu bergen. Denn es gibt eine Prophezeiung bei den Grönland-Schamanen: 'Wenn das Eis im Herzen Grönlands zu schmelzen beginnt, wird die Erde ihr ältestes heiliges Wissen frei geben.' Diese Zeit ist nun gekommen. Die junge Frau schildert in ihrer spirituellen Autobiografie viele existenzielle Bewährungsproben und entdeckt tief in sich ihre Fähigkeit als Mittlerin zwischen den Welten. Sie wird als Schamanin initiiert, doch die wichtigste Entscheidung steht noch aus: In welcher Welt will sie leben? In ihrer authentischen Geschichte verbindet die Schamanin die alte, zeitlose Weisheit mit dem Leben einer modernen selbstbewussten Frau.

Annabelle Wimmer Bakic studierte klassische Archäologie, Kunstgeschichte und Germanistik und war viele Jahre in der Kunstszene tätig. Heute arbeitet sie als Schamanin mit eigenen Praxen in Prien am Chiemsee und München, hält national und international Seminare und bildet aus. Sie begründete die Disziplin der spirituellen Archäologie. Basierend auf der Verbindung von schamanischem Wissen und neuester neurologischer Forschung entwickelte sie darüber hinaus die schamanische Heiltherapie. https://www.annabelle.world/

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Trommeln aus einer anderen Welt

Lange habe ich nicht mehr an die Zeiten in Hetzenbichl auf dem Samerberg im Chiemgau gedacht, wo ich mit meinen Großeltern viele Wochenenden verbrachte. Ich streifte durch Wald und Flur, erkundete jeden Stein und jeden Grashalm und besuchte meine Freunde in der Natur. Ich fühlte mich mit allem verbunden. Alles war im Fluss, fühlte sich selbstverständlich an und zugleich bedeutungsvoll. Oft durfte ich in den Stall gehen und der Bäuerin beim Melken helfen. Dazu sang ich Lieder, die ich im Religionsunterricht gelernt hatte und leicht abwandelte, damit sie zu den Kühen passten. Die Bäuerin meinte, wenn ich für sie sänge, würden die Kühe ruhiger und gäben mehr Milch. Es war eine wundervolle Zeit.

Warum fallen mir diese Erlebnisse ausgerechnet jetzt ein? Was bedeutet das? Geht es um ein ursprünglicheres, naturverbundeneres Leben?

Ich frage Stefan um Rat. Zu meinem Erstaunen sagt er mit einem Schulterzucken: »Dann ziehen wir eben aufs Land, wenn das für dich wichtig ist. Von dort können wir schließlich auch arbeiten. Vielleicht wäre das eine schöne Abwechslung für uns zwei Städter.«

Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich darum geht, und sage nichts dazu. Die Bilder aus meiner Kindheit zeigen mir nicht allein das Glück, sondern eine große Zufriedenheit und tiefe Sinnhaftigkeit, die ich bei allem empfand. Es gab keine Trennung zwischen innen und außen, zwischen meiner eigenen und der äußeren Welt.

Aber nun bin ich erwachsen. Das Leben ist nicht mehr so einfach wie damals, und Geld muss ich auch verdienen. Vielleicht geht es bei meiner Sehnsucht auch nicht um Glück, sondern um den Sinn? Ich bin achtunddreißig Jahre alt und muss mir die Frage stellen, wofür ich stehe, wer ich bin und was mir wirklich wichtig ist.

Womöglich geht es um den Sinn meines Lebens. Das große, pathetische Wort lässt mich zurückschrecken. Gibt es den überhaupt, den Sinn des Lebens?

Auf der Suche nach mir selbst bin ich stets vorangeschritten. In vielem bin ich hinlänglich begabt, ich hätte es in einigen Bereichen weit bringen können. In der Archäologie wie in der Kunst, im Designstudium wie auch im Marketing habe ich mir in jeweils kurzer Zeit eine gute Position erarbeitet, doch nirgends hat es mich länger gehalten. Nirgends hat es sich für mich gelohnt zu bleiben. Es war alles so leicht, so selbstverständlich und wurde irgendwann beliebig. Wie ein Spiel, das nach einiger Zeit langweilig wird. Denn tief in mir drin ist, solange ich denken kann, immer etwas unbefriedigt und unerfüllt geblieben.

Und nun? Stehe ich schon wieder an einem Wendepunkt. Werfe ich erneut alles hin und wende mich etwas Neuem zu? Anders als in früheren Zeiten gibt es heute keinen Impuls von außen, keine Perspektive, die mir Kraft und Gewissheit gibt. Ich spüre, wie mich Unsicherheit beschleicht. Was ist, wenn ich mir etwas vormache und mich einfach in eine neue Herausforderung verrenne? Vielleicht habe ich nicht gerade einen Traumjob, aber ich habe eine gute Position. Das ist immerhin etwas.

Doch Zweifel nagen an mir. Was, wenn mein Leben morgen plötzlich zu Ende wäre? Wäre ich zufrieden mit meiner Wahl? Nein. Das alles wäre nicht genug. Ich hätte das Gefühl, das Wesentliche verpasst und an mir selbst vorbeigelebt zu haben, womöglich, ohne es überhaupt zu bemerken. Aber wohin soll es gehen? Wohin kann ich mich wenden, um eine Antwort auf meine Fragen zu finden?

 

Eines Abends im Februar, einige Wochen nach der Geburt unserer zweiten Tochter, sitzen Stefan und ich beim Essen. Er spürt, wie unzufrieden ich bin. Ich bin ein Mensch der Tat und bringe die Dinge gern voran, doch nun weiß ich nicht weiter. Das macht mich fertig.

Mein Mann schaut mich an und sagt: »Wir brauchen eine Perspektive für dich. Nichtstun ist keine Lösung. Dann lieber den nächsten Schritt gehen, egal wohin, auch wenn nicht klar ist, ob es Sinn ergibt. Das ewige Herumsitzen zu Hause ist nicht gut für dich, es schlägt dir aufs Gemüt. Überleg, ob du morgen nicht mal rausgehst, in der Stadt einen Kaffee trinkst, unter Leute kommst oder mal wieder eine Ausstellung besuchst. Mach etwas Schönes für dich, ich nehme mir frei und pass auf die Kinder auf.«

Es ist ein