2. Kapitel
Vorm Schulgebäude. Alles wie immer. Aber einige Leute wissen nicht, was sie tun.
»Hey, Vorsicht! Willst du mich über den Haufen rennen?« Das Mädchen mit den kinnlangen roten Haaren guckt erschreckt hoch – sie hat mich erst in dieser Sekunde bemerkt. Dabei ist sie eigentlich direkt auf mich zugesteuert. Nur leider eben rückwärts. Und da hat der Mensch nun mal keine Augen im Kopf.
Gibt’s ja nicht! Was macht die bloß?
»Tschuldigung«, stottert sie, »ich hab dich gar nicht gesehen.«
»Ich hab’s gemerkt.«
»Tja, war so beschäftigt mit den Fotos«, fügt sie erklärend hinzu. Fotos? Jetzt sehe ich es auch: In den Händen hält sie eine Kamera. Offenbar hat sie die ganze Zeit unsere Schule fotografiert und dabei den Rückwärtsgang eingelegt. Seltsam.
»Machst du Fotos von unserer Schule?«, will ich wissen.
Sie nickt. »Ja.«
»Und warum?«
»Ich fotografiere eben gern. Schon immer. Ich werde mal Fotografin.«
»Aha. Aber wieso gerade unser Schulgebäude?« So besonders aufregend sieht das ja nun nicht gerade aus und sie selbst gehört nicht zum Henri-Nannen-Gymnasium. Da sie ungefähr so alt ist wie ich, wäre sie mir sonst schon mal aufgefallen.
»Ich bin neu hierhergezogen. Heute ist mein erster Schultag am Henri Nannen, den dokumentier ich.« Sie macht eine kurze Pause. »Ich heiße übrigens Lilli.«
Dann will ich mal freundlich sein und den Neuzugang herzlich willkommen heißen.
»Ich bin Carla. 6b bei Frau Willich und Herrn Andres. Hoffe, dir gefällt es hier.«
Lilli nickt wieder. »Ja, danke. Ich weiß noch nicht, in welche Klasse ich komme. Erfahre ich bestimmt gleich. Ich mach dann mal weiter.« Ohne ein weiteres Wort hebt sie ihre Kamera und fotografiert schon wieder. Die ist ja schräg.
Ich drehe mich um und gehe die Stufen zum Eingang hoch. Schnell Isa finden – die sechs Wochen, ohne sie jeden Tag zu sehen, waren ganz schön lang!
Eine Stunde später. Man sieht sich immer zweimal im Leben.
Während wir den ersten Klassenrat im neuen Schuljahr abhalten, der im Wesentlichen daraus besteht, sich die wichtigsten Neuigkeiten der letzten sechs Wochen zu erzählen, klopft es.
»Herein!« Frau Willich guckt neugierig Richtung Tür. Ich und die anderen sechsundzwanzig Schüler der 6b auch. Als Erstes taucht der Kopf von Frau Hansmann, unserer Unterstufenleiterin, auf. Und zwei Sekunden später folgt ein Gesicht, das ich heute schon einmal gesehen habe: Lilli.
»Hallo 6b!«, begrüßt uns Frau Hansmann fröhlich. »Ich möchte euch eine neue Mitschülerin vorstellen: Lilli Weidinger. Lilli kommt aus München und ist in den Sommerferien zu uns nach Hamburg gezogen. Ich hoffe, sie wird sich bei uns wohlfühlen. Ihr könnt ihr bestimmt dabei helfen, sich hier gut einzuleben.«
Wir nicken brav, Frau Willich steht auf, geht zu Lilli und reicht ihr die Hand.
»Hallo, Lilli! Schön, dass du da bist. Dann wollen wir mal einen Platz für dich suchen. Oder hast du vielleicht eine Idee, neben wem du sitzen möchtest?«
Unsicher sieht sich Lilli im Klassenzimmer um, dann entdeckt sie mich.
»Da!« Sie zeigt auf mich. »Ich würde gern neben Carla sitzen, wenn das kein Problem ist.«
Frau Willich lächelt. »Ach, ihr kennt euch schon? Das ist ja nett. Na, dann machen wir das so. Es