: Ronja Wurmb-Seibel
: Wie wir die Welt sehen Was negative Nachrichten mit unserem Denken machen und wie wir uns davon befreien
: Kösel
: 9783641282745
: 1
: CHF 8.70
:
: Gesellschaft
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Bestseller jetzt als Taschenbuch!
Tägliche Krisenmeldungen drücken nicht nur unsere Stimmung, sie verzerren unseren Blick auf die Welt. Wie entkommen wir dieser Negativ-Spirale? Indem wir Nachrichten anders konsumieren. Und indem wir anfangen, einander eine neue Art von Geschichten zu erzählen. Ronja von Wurmb-Seibel zeigt, warum es sich lohnt, einen gesünderen Umgang mit Nachrichten zu finden und wie es gelingt, die Welt auch im Alltag mit anderen Augen zu sehen. Mit vielen praktischen Tipps und konkreten Vorschlägen, um unseren Medienkonsum von ausschließlich negativ zu überwiegend kritisch-konstruktiv zu lenken. Es ist möglich, politisch informiert zu bleiben, ohne ständig niedergeschlagen zu sein. Der SPIEGEL-Bestseller jetzt im Taschenbuch!

Ronja von Wurmb-Seibel ist mehrfach ausgezeichnete Journalistin, Bestsellerautorin und Filmemacherin. Knapp zwei Jahre hat sie als Reporterin in Kabul gelebt und dort - umgeben von schlechten Nachrichten - gelernt, Geschichten so zu erzählen, dass sie Mut machen. Inzwischen hat sie im bayerischen Dünzelbach gemeinsam mit ihrem Partner ein Gästehaus für Künstler*innen gegründet, in dem sie mal mit Kreativen zusammenlebt, mal mit Freiwilligen.

ZWEI:
ONLY BAD NEWS IS GOOD NEWS? VON WEGEN!

Wie wird eine Nachricht zur Nachricht? Was entscheidet darüber, ob uns ein Ereignisberichtenswert erscheint oder nicht? Gehen wir alle nach demselben Prinzip vor wie meine Oma? Dass nur das Außergewöhnliche, das Drastische, das Schlimme überhaupt »der Rede wert« ist?

Wenn wir den Einfluss, den Nachrichten auf uns haben, verstehen wollen, müssen wir erst einmal verstehen, was Nachrichten sind – auch wenn uns das im ersten Moment vielleicht absurd vorkommt. Wir wissen doch, was Nachrichten sind! Wir haben sie ja ständig um uns. Natürlich wissen wir alle, was eine Nachricht ist. Doch gerade bei Dingen, die wir zu kennen glauben, übersehen wir oft die entscheidenden Details. Schauen wir also einmal genauer hin.

Nachrichten sind eine Auswahl von Ereignissen, die in einem bestimmten Zeitraum – einem Tag, einer Woche, einem Monat – passiert sind. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass Nachrichten niemals vollständig sind. Egal, wie viel von ihnen wir konsumieren: Sie zeigen nicht alles, was in der Welt passiert. Sie zeigen manches. Eben: eine Auswahl.

Und zwar nicht irgendeine. Nachrichten sind eine Auswahl von Ereignissen, die den jeweiligen Journalist*innen berichtenswert erscheinen. Nach welchen Kriterien wird diese Auswahl getroffen? Wie erkennen Journalist*innen, ob ein Ereignis berichtenswert ist oder nicht? Nach welchen Maßstäben entscheiden sie?

In vielen Fällen nach den sogenanntenNachrichtenfaktoren: Wie viele Leute sind von einem Ereignis betroffen? Sind berühmte Personen beteiligt? Ist das Ereignis ungewöhnlich, vielleicht sogar noch nie da gewesen? Wie weit ist das Ereignis geografisch und kulturell entfernt? Inwieweit betrifft es die Menschen des Landes, in dem berichtet wird? Wie konfliktgeladen ist das Ereignis? Welchen Schaden verursacht es?

Benannt wurden die Nachrichtenfaktoren zum ersten Mal vor hundert Jahren. Walter Lippmann, einUS-amerikanischer Journalist und Schriftsteller, der unter anderem dafür bekannt ist, den Begriff des »Kalten Krieges« geprägt zu haben, veröffentlichte 1922 das BuchThe Public Opinion. Darin beschreibt er, wie deutlich die öffentliche Meinung durch Medienberichte geprägt wird. Im KapitelThe Nature of the News spricht er von zehn Nachrichtenfaktoren, anhand derer Journalist*innen entscheiden, ob sie über ein Ereignis berichten oder nicht.

Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Nachrichtenfaktoren von verschiedenen Forscher*innen definiert, die sie jeweils etwas abgewandelt haben. Manche fassen mehrere Faktoren zusammen, andere führen sie einzeln auf. Beim einen wird Sex als eigener Faktor genannt, beim anderen Kriminalität. Grundsätzlich geändert haben sich die Faktoren in den letzten hundert Jahren jedoch nicht. Berichtet wird, was in der Nähe passiert, was ungewöhnlich ist, konfliktreich, berühmte Personen betrifft oder weitreichende Konsequenzen hat.

Jede*r, der oder die als Journalist*in arbeitet, ist den Nachrichtenfaktoren schon einmal begegnet. Sie werden an Universitäten, Volontariatskursen und Journalist*innenschulen unterrichtet, als Anleitung dafür, wie Journalist*innen aus den vielen Dingen, die Tag für Tag auf der Welt passieren, das »Wichtigste