: Anke Elisabeth Ballmann
: Worte wie Pfeile Über emotionale Gewalt an unseren Kindern und wie wir sie verhindern
: Kösel
: 9783641286798
: 1
: CHF 14.80
:
: Gesellschaft
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Anke Elisabeth Ballmanns Buch ist ein Weckruf, der uns daran erinnert, dass das, was wir sagen, genauso wichtig ist wie das, was wir tun. Eine Pflichtlektüre für alle, die mit Kindern leben und arbeiten.' Nicola Schmidt
Die Psychologin und Pädagogin Anke Elisabeth Ballmann weiß: zu oft erleben Kinder Gewalt, die sie für ihr ganzes weiteres Leben prägt. In ihrem neuen Buch zeigt die Expertin anhand zahlreicher Beispiele aus der Praxis, welche Folgen die oft unerkannte, emotionale Gewalt für Kinder hat - jene Art von Gewalt, die tagtäglich in vielen Familien stattfindet und sich in Worten, in sogenannten 'Grenzen', durch Liebesentzug, in überhöhten Erwartungen und starren Konventionen ausdrückt. Auch in Kindergärten, Schulen und anderen Institutionen werden Kinder noch immer nicht so behandelt, wie es der aktuelle Wissenstand der Entwicklungspsychologie, Bindungsforschung, Lehr- und Lernforschung und der Hirnforschung erwarten ließe.

Doch der Wunsch nach einer gewaltfreien Kindheit muss keine Utopie sein. Ballmann zeigt auf, wie diese Vision Wirklichkeit werden kann und wie Kinder und ihre Familien von einer neuen Haltung profitieren.

'Emotionale Gewalt hat viele Gesichter. Sie ist ein ernstzunehmender Risikofaktor der kindlichen Entwicklung mit oft erschütternden Folgen unter anderem für Persönlichkeitsbildung, psychische Gesundheit, Motivation und Lernerfolg. Es sollten deshalb alle, die mit Kindern privat oder beruflich zu tun haben, dieses wichtige Buch lesen. Es bereitet kompetent, evidenzbasiert und praxisorientiert ein leider oft vernachlässigtes Thema auf.' Prof. Dr. Dr. Albert Ziegler

Dr. Anke Elisabeth Ballmann ist Pädagogin, Psychologin und Autorin. Sie setzt sich seit über 25 Jahren für kindgerechtes Lernen und gewaltfreie Pädagogik ein. 2007 gründete sie das Institut 'Lernmeer' für die Beratung, Fort- und Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte, 2020 die Stiftung Gewaltfreie Kindheit. Aufrüttelnde Vorträge zu ihren Kernthemen brachten der langjährigen Bildungsreferentin den Ruf einer innovativen Bildungsexpertin ein.

Gewaltfreie Kindheit ist möglich


Erwachsene sind zu hundert Prozent für ihren Umgang mit Kindern verantwortlich – Punkt.

»Stell dich nicht so an!« – »Jetzt komm schon, mach schneller!« – »Sitz gerade und nimm die Ellbogen vom Tisch!« – »Du entschuldigst dich jetzt sofort!« – »Mach endlich Hausaufgaben!« – »Ich drehe noch durch mit dir!« – »Das ist doch nicht schlimm!« – »Mach nicht so ein Theater!« – »Wenn du jetzt nicht sofort dein Zimmer aufräumst, dann nehme ich dir dein Handy weg!« Eventuell kennen Sie den ein oder anderen Satz. Vielleicht aus Ihrer Kindheit, vielleicht haben Sie ihn schon selbst ausgesprochen – vielleicht beides.

Das sind Sätze, die in Kindheiten viel zu oft vorkommen. Sätze, mit denen Kinder noch immer »erzogen« werden. Sätze, durch die Kinder über ihre engsten Bezugspersonen erfahren, wie man verbale und nonverbale Gewalt, beispielsweise durch abschätzende Gesten, abwertende Blicke und desinteressiertes Verhalten, ausübt. Dadurch lernen Kinder gleichzeitig auch, sich selbst nicht zu mögen. Denn Menschen – und Kinder sind bekanntlich Menschen –, die ständig kritisiert und selten gefragt werden, was sie sich wünschen oder gar brauchen, kommen möglicherweise zu der festen Überzeugung, dass sie falsch sind, so wie sie sind, dass sie falsche Gefühle fühlen. Und, Hand aufs Herz – das ist fatal für jegliche zukünftige Entwicklung.

Zum Glück besteht längst Konsens darüber, dass körperliche Gewalt gegenüber Kindern nicht nur strafbar, sondern auch gesellschaftlich geächtet ist. Trotzdem gehört sie für viele Kinder noch immer zum Alltag. Besonders entsetzliche Fälle, vor allem sämtliche Formen sexualisierter Gewalt, beherrschen dann sofort die Medien und sorgen für große Aufregung und Entsetzen. Fast alle Menschen nehmen sexualisierte Gewalt an Kindern als besonders abscheulich wahr und prangern sie an – und das ist auch gut so.

Worüber jedoch immer noch viel zu wenig berichtet und gesprochen wird, sind subtile, teilweise unsichtbare Formen von Gewalt. Sie hinterlassen keine äußeren Spuren, sind in ihren Konsequenzen allerdings ebenso zerstörerisch wie alle anderen Formen von Gewalt. Darum geht es mir in diesem Buch: um die oft unerkannte, die unbewusste, die alltägliche, die unblutige, die versteckte, die psychische, die emotionale Gewalt. Jene Art von Gewalt, die nach meiner persönlichen und professionellen Erfahrung tagtäglich in sehr vielen Familien stattfindet: am Essenstisch, beim Zubettbringen, beim Hausaufgaben machen. Eine Gewalt, die sich in Worten, in Blicken, in Gesten, durch als »Grenzen und Konsequenzen« getarnte Bestrafungen, in Erwartungen, Anforderungen und anderen starren Konventionen ausdrückt. Jene Gewalt, die gegen die Bedürfnisse der Kinder durchgesetzt wird, und zwar durchaus auch von liebevollen Eltern und pädagogischen Fachkräften in Kitas und Schulen, also von Menschen, die für Kinder nur das Beste wollen. Diese Form von Gewalt bedeutet nicht zwangsläufig, dass Eltern sich nicht für ihre Kinder interessieren, sie schlechte Eltern sind oder es grundlegende Probleme in diesen Familien gibt. Sie tritt häufig auf, weil Eltern ihre eigenen hohen Erwartungen und den Druck, der von außen auf sie ausgeübt wird, an ihre Kinder weitergeben. Heutige Eltern wollen es besser machen als ihre eigenen und handeln aus gutem Glauben, aber leider oft noch unreflektiert. Sie kommen nicht so recht aus dem Kreislauf ihrer eigenen Erfahrungen heraus, haben Sorge, Fehler zu machen, sind ratlos und leiden unter Schuldgefühlen. Genau an diesem Punkt setzt dieses Buch an. Es geht nicht um Perfektion – es geht um eine innere Haltung.

Ganz egal, wohin wir blicken, wir entdecken fast überall Erwachsene, die unter dem, was sie selbst als Kinder erlebt haben, leiden. Es sind Menschen, die aus ganz »normalen« Familien stammen, in denen die oft »üblichen« Erziehungsmethoden angewendet wurden – unerbittlicher Leistungsdruck, starre Regeln, Beschämung, Eindringen in die Privatsphäre, Gewalt durch Worte, Entzug von Privilegien, beispielsweise durch Hausarrest oder Fernsehverbot. Hinzu kommt in vielen Familien chronischer Streit zwischen den Eltern oder Bloßstellungen der Kinder vor anderen Kindern, Nachbarn oder Verwandten. Diese Gewalt betrifft jeden von uns. Wir alle kennen Worte, die sich in der Kindheit wie Pfeile in uns gebohrt und bis heute Narben hinterlassen haben.