1
»Jan-Arne Asmus ist tot, und stell dir vor, er hat deinen Namen auf dem Totenbett geflüstert.«
Ich war von der Nachricht völlig überfordert, weshalb ich kein Wort erwiderte. Nicht nur, dass meine Mutter ohne ein »Hallo, ich bin’s. Wie geht’s?« ihre Neuigkeit ins Telefon gepustet hatte. Dass sie überhaupt anrief, war eine Sensation.
Wir hatten zuletzt vor drei oder vier Monaten gesprochen, immer war ich diejenige, die anrief, und immer wirkte sie so, als hätte sie den Tag auch gut ohne meinen Anruf bewältigt. Damit nicht genug. Den Namen Jan-Arne Asmus hatte ich eine kleine Ewigkeit nicht mehr gehört. Kaum, dass ich mich an sein Gesicht erinnerte. Er war in meinem Alter, allein deshalb traf mich sein Tod. Am meisten irritierte mich jedoch, dass er ausgerechnet an mich gedacht haben sollte, kurz bevor er gestorben war.
»Du sagst ja gar nichts«, stellte meine Mutter fest. »War ich zu unsensibel, Doro? Na ja, ihr habt ja mal miteinander poussiert.«
Dieser Ausdruck war schon zu der Zeit hoffnungslos veraltet, als ich Jan-Arne kennengelernt hatte. Mitte der Achtziger.
»Wir haben nie poussiert, Mama.«
Ich sagte die Wahrheit. Zwischen ihm und mir war nichts gewesen, und wenn doch, hätte meine Mutter davon nichts mitbekommen. Dafür hatte sie sich viel zu wenig für mein Privatleben, ach, für mein ganzes Leben interessiert.
»Wenn du meinst. Aber von den Leuten aus der Fehmarn-Clique hattest du mit ihm am längsten Kontakt. Gib es doch zu.«
Allein diese Wortwahl! Ich sollte zugeben, mit jemandem über mein zwanzigstes Lebensjahr hinaus in Kontakt gestanden zu haben.
»Ja, das gebe ich zu«, sagte ich todernst.
»Siehst du. Siehst du.«
So wie sie es hinausposaunte, galt es weniger mir als jemandem, mit dem sie gewettet hatte. Ich vermutete, dass ihre Mitbewohnerin bei ihr war, Frau Rötel. Das war nicht schwer zu erraten. Wenn sie nicht gerade zerstritten waren, saßen die beiden eigentlich immer zusammen, also fünfzig Prozent ihrer Zeit.
»Du hast noch gar nicht gefragt, woran er gestorben ist.«
»Woran ist er denn gestorben?«
»Überfahren.«
»Schlimm. Auf der Straße?«
»Nein, nichtso überfahren. Ein Auto ist buchstäblich über seinen Brustkorb gerollt.«
Was für eine grausame Art zu sterben, dachte ich und unterdrückte meine Vorstellungsgabe mit aller Gewalt, sonst wäre mir übel geworden.
»Du meinst, er wurde ermordet?«, fragte ich.
»Ich kenne mich in diesen Dingen natürlich weniger gut aus als eine Expertin wie du, aber man muss sich schon ziemlich dämlich anstellen, um versehentlich jemandem einmal vorwärts und einmal rückwärts über den Oberkörper zu rollen, meinst du nicht?«
Dass jemand, den ich kannte, und sei es nur aus ferner Vergangenheit, auf diese beinahe an Mafiamethoden erinnernde Weise zu Tode gekommen sein sollte, war befremdlich und erschütternd zugleich.
»Was wirst du nun tun?«, fragte meine Mutter.
Ich dachte daran, für Jan-Arne im Geiste eine Kerze zu entzünden, am Abend bei einem Glas Chardonnay an ihn zu denken, ein paar alte Fotos auszukramen, Yim von ihm zu erzählen … So in der Art.
»Gib mir bitte seine Adresse, ich schreibe seiner Familie eine Karte … falls er eine hat. War er verheiratet und hatte Kinder?«
»Doro, der Mann ist mit deinem Namen auf den Lippen g