Noah lief am Sportplatz entlang, der sich parallel zum Gebäude erstreckte. Kurz streifte ihn Lukas’ Blick, dann stürmte sein Sitznachbar mit dem Ball in Richtung Tor. Im Schatten der alten Eichen schlich Noah bis zum Ende des Schulgeländes. Dort begann der verwilderte Garten.
Die Stimmen der anderen Kinder drangen nur noch gedämpft zu ihm. Noah blickte sich um, aber niemand schien ihn zu beobachten. Sein Herz hämmerte, als er die morsche Gartenpforte öffnete.
Auf dem Kiesweg lagen Scherben. Rings um das Gewächshaus türmten sich Töpfe und Vasen, löchrige Gießkannen und Säcke voller Blumenerde. Das Dach war mit Brettern vernagelt, die kaputte Glastür durch eine Holztür ersetzt worden.
Noah hatte ein mulmiges Gefühl. „Echt gruselig“, wisperte er. Besser, er brachte die Sache zügig hinter sich.
Die Tür war nur angelehnt. Noah quetschte sich durch den schmalen Spalt. Sofort schlug ihm der Geruch vermoderter Pflanzen entgegen.
Neben dem Eingang stand ein umgedrehter Eimer. Darauf stellte er seinen Rucksack ab und zog das Buch heraus.
Ob das wirklich funktionierte? Er erfüllte einen Wunsch und bekam seinen eigenen erfüllt. Eigentlich eine schöne Vorstellung – ein anderes Kind glücklich zu machen.
Wenn es ihm aber nicht gelang, was dann? War es ihm das Risiko wert? Für seinen Wunsch? Den einen, der sonst niemals nie in Erfüllung gehen würde?
Wie oft er schon davon geträumt hatte. Vielleicht war dieses seltsame Buch seine einzige Chance. Aber woher kam es überhaupt?
Unschlüssig strich er über den Einband.
Dann siegte seine Neugier. Er schlug das Buch auf und las noch einmal die Botschaft.
Noahs Herz pochte schneller. Er nahm den Rucksack vom Eimer, setzte sich darauf und legte das aufgeschlagene Buch auf seine Knie. In dem Moment polterte jemand von außen gegen die Holztür.
Erschrocken zuckte er zusammen.
„Hey, Kumpel, hier steckst du also!“ Lukas erschien in der Tür, schweißgebadet vom Fußballspielen. „Ich habe dich schon überall gesucht.“
Noah sprang auf und klappte das Buch zu. Sofort schoss ihm das Kleingedruckte durch den Kopf:Quatschtanten oder Drückeberger werden ihr blaues Wunder erleben!
Lukas runzelte die Stirn.
„Ähm … ist das Spiel schon vorbei?“ Unauffällig versuchte Noah, das Buch in seinem Rucksack verschwinden zu lassen.
„Was hast du da, Kumpel?“, fragte Lukas leise.
Noah entging der seltsame Unterton in seiner Stimme nicht. Fast klang sein Mitschüler … ängstlich?
„Nichts“, wiegelte er ab.
Lukas kam näher. „Darf ich mal sehen?“
„Es ist … geheim!“, stammelte Noah. Er machte einen Schritt zurück, stolperte über den Eimer – und der Rucksack rutschte ihm aus der Hand. Heraus fiel das Buch, genau vor ihre Füße.
Noah wollte es aufheben, aber Lukas verstellte ihm den Weg. „Soso …Das Buch der unheimlichen Wünsche …“, murmelte sein Sitznachbar.
Draußen lachte jemand, offenbar war Lukas nicht allein gekommen. Ein Ball donnerte gegen die Tür.
Lukas’ dunkle Augen bohrten sich in Noah. „Wenn du einen Rat haben willst“, zischte er, „schaff dir das